Samstag, 15. September 2012

Fodor, Teleological Solutions

Die teleologischen Theorie mentalen Gehalts unterscheiden nach Fodor ebenfalls zwischen zwei Arten von Situation: solche, in denen Normalbedingungen vorherrschen, und solche, in denen dies nicht der Fall ist.

Type 1 Situation:
(i) If it is a law that Ps cause S-tokens in type 1 situations, then S means P. (And if P is disjunctive, so be it.)
(ii) Not all situations, in which S gets tokened qualify as type 1, so that tokens of S that happen in other sorts of situations are ipso facto free to be false.

In Type 1 Situationen herrschen also Normalbedingungen vor und Fehlrepräsentationen sind dann Abweichungen  von dieser Norm. Die Aufgabe der teleologischen Theorien besteht darin, "Normalität" teleologisch (und eben auch nicht-intentional) zu erklären.

Grundsätzlich geht Fodor davon aus, dass man solche Normalfunktionen nicht einzelnen Gehalten, sondern nur Klassen von neuronalen Mechanismen, die sie erzeugen, zuschreiben kann. Die Überzeugung "Gott ist tot" hat also an sich keine Funktion, denn diese beschränkt sich nur auf die Gehirnprozesse, die Überzeugungen generieren.

Im Gegensatz dazu behaupten Autoren wie Ruth Millikan, dass sich durch teleologische Funktionen auch die funktionalen Rollen einzelner mentaler Zustände erklären. Durch die Entstehungsgeschichte kann man ihr zufolge plausibel machen, warum Wahrnehmungen von Essen zu Hungergefühlen und entsprechenden Handlungen führen.

Fodor lehnt diese Aufassung ab, denn er meint, dass man von der Funktion eines Typs nicht auf die seiner Token schließen kann. Bspw. kann die Wahrnehmung einer roten Tomaten doch auch zu einer künstlerischen Inspiration führen und nicht notwendig zu Hungerfühlen, wie dies sein Typ verlangt.

Weiterhin wirft Fodor diesem Ansatz vor, dass eine teleologische Funktion nicht hinreichend für die Erklärung von Intentionalität sei. Schließlich weist das Herz auch eine solche Funktion auf, verfügt aber dennoch über keine intentionalen Zustände.
Und er stellt in Frage, ob Funktionen notwendig für mentale Zustände sind. Erstere werden anhand ihres typisches Effekts individuiert; es gibt jedoch auch mentale Zustände, die keine typischen Effekte haben wie z.B. Wünsche. Bei dieses besteht keine Kausalbeziehung zwischen den mentalen Zustand und ihrer Erfüllung, denn sie können z.B. auf weit in der Zukunft liegende Sachverhalte oder auf unkontrollierbare Zustände gerichtet sein.

Demzufolge schlägt Fodor vor, Funktionen nur auf Typen von mentalen Prozessen anzuwenden. Diese haben folgende Normalbedingungen C
(i) certeris paribus, the mechanism in question mediates the relations in question whenever circumstances C obtain.
(ii) ceteris paribus, possession of a mechanism bestows selectional advantage because it mediates their relation whenever circumstances C obtain.

Beispiel Fliege:
(i) S is reliably caused by flies in Normal circumstances.
(ii) S is the Normal cause of an ecologically appropriate fly-response.
(iii) Evolution bestwoed S on froges because (i) and (ii) are true of it.

Hier wendet Fodor jedoch ein, dass auch dieser Ansatz das Disjunktionsproblem nicht lösen kann.
Entweder bestimmt man die Funktion im Hinblick auf den Gehalt, dann ist die Funktion ambig, wenn der Gehalt ambig ist.
Oder man bestimmt die Funktion nicht im Hinblick auf den Gehalt, dann können mehrere Gehalt auf die entsprechende Beschreibung passen.
Als Beispiel führt er die Gehalte "Fliege" und "kleiner schwarzer Punkt" an. Im Normalfall sind FLiegen kleine schwarze Punkte, weshalb beiden Gehalten dieselbe Funktion zugeschrieben werden kann. Folglich ist die funktionale Individuation nicht feinkörnig genug, um intensionale Kontexte zu unterscheiden. 

Freitag, 7. September 2012

Michael Tye, The Intentionality of Feelings and Experiences

Es wird allgemein akzeptiert, dass Wahrnehmungen repräsentationalen Gehalt aufweisen, d.h. sie zeigen einen Sachverhalt in der Welt an.

Michael Tye behauptet wiederum, dass diese Funktion auch bewussten Gefühlen und Erlebnisse zukommt, denn sie sind sinnliche Repräsentationen der Außenwelt oder von internen körperlichen Veränderungen.

"Moods, emotions, and bodily sensations, in my view, are importantly like maps of our own physical workings, guides to our own body states, graphic representations of what is going on inside (and to) our skins."

Was ist intentionaler/repräsentationaler Gehalt?
Intentionaler Gehalt ist der Gehalt von Wahrnehmungen, Überzeugungen und anderen mentalen Zuständen. Wenn ich z.B. einen roten Ball sehe, ist die Repräsentation dieses Balles der Gehalt meiner visuellen Wahrnehmung.
Dieser kann sich auf konkrete Objekte oder abstrakte Objekt-Typen beziehen, d.h. auf den konkreten Ball , der vor mir liegt, oder auf einen eher unspezifischen Ball, der lediglich die Eigenschaften der Kugelform etc. aufweist.

Genau wie Chisholm meint Tye, dass dieser Gehalt feinkörnig bzw. nicht-extensional ist. So muss die Repräsentation des Balles nicht alle Eigenschaften anzeigen, die der Ball tatsächlich hat. Folglich weiß ich bei der Repräsentation eines Dreiecks, dass es drei Seiten hat, aber ich muss nicht wissen, dass seine Innenwinkelsumme 180 Grad ist.

Aufgrund dieser Intensionalität des Gehalts kann man auch Gegenstände repräsentieren, die gar nicht existent sind. In diesem Fall zeigt meine Wahrnehmung lediglich eine Menge von Eigenschaften an, die jedoch keinen Referenten haben.

Mentale Zustände unterteilt Tye wiederum in zwei Gruppen: propositionale Einstellungen und Erfahungen bzw. Erlebnisse. Zu ersteren gehören z.B. Überzeugungen, Wünsche und allgemein alle Zustände, deren Gehalt propositional ist.
"Propositional" bedeutet, dass sich ihr Gehalt als dass-Satz formulieren lässt. Nach Tye weisen diese Zustände eine linguistische Enkodierung auf, was bedeutet, dass sie systematisch und produktiv miteinander verknüft werden können. Aus der Überzeugung "Dort ist ein Baum" und "Der Baum ist groß" kann man bspw. die Überzeugung "Der Baum ist groß" generieren.

Diese Verknüpfungen sind wiederum unabhängig von den Sachverhalten in der Welt, denn man kann "golden" und "Berg" zu "goldener Berg" zusammensetzen, auch wenn es diesen gar nicht gibt.

Erfahrungen weisen jedoch keine solche satzartige Struktur auf, weshalb sie nach Tye von den propositionalen Einstellungen unterschieden werden müssen.

Grundlegend nimmt Tye eine kausale Theorie der Repräsentation an:
" S represents that p = If optimal conditions obtain,  S is tokened in x if and only if P and because P"
S wird also angezeigt, gdw. P der Fall ist und weil P der Fall ist. Die letzere Bedingung soll ausschließen, dass es sich um eine bloß zufällige Korrelation handelt.
Fehlrepräsentation sind nach dieser Definition möglich, wenn die Optimalbedingungen nicht erfüllt sind, wobei Tye sich hier nicht dazu äußert, was genau unter diesen zu verstehen ist.

Für Tye zeichnen sich Wahrnehmungen und Erfahrungen allgemein dadurch aus, dass sie nicht-begrifflichen Gehalt aufweisen. zur Illustration eines solchen Gehalts nennt er die Müller-Lyer-Illusion:
http://de.wikipedia.org/wiki/M%C3%BCller-Lyer-Illusion

Bei dieser sehen wir die Linien nicht als gleich lang, obwohl wir nach der Aufdeckung der Illusion wissen, dass dem so ist. Folglich scheint der Gehalt unserer visuellen Wahrnehmung nicht durch unsere Überzeugungen beeinflussbar. Weitere Beispiele für nicht-begrifflichen Gehalt ist die Farbwahrnehmung, denn wir können auch nicht alle Farbnuancen, die wir unterscheiden können, mit Begriffen belegen und deshalb wiedererkennen.
Aufgrund dieser Befunde unterscheidet Tye zwischen begrifflichen Gehalt, den er den propositionalen Einstellungen zuordnet, und dem nicht-begrifflichen Gehalt der Erfahrung.

Dieser Gehalt soll Tyes Repräsentationalismus zu Folge Sachverhalte in der Welt bzw. Zustände des Körpers anzeigen. Gegen diese Behauptung wurden Phänomene wie z.B. Nachbilder und Schmerzen angeführt, die als nicht-repräsentational gelten.

Nachbilder:
Nachbilder entstehen, wenn man als Chirurg im OP auf etwas Weißes schaut, nachdem man sehr viel Blut gesehen hat. Man hat dann ein rotes Nachbild.
Wie kann der Repräsentationalismus nun erklären, wie dieser Gehalt entsteht?
Hier verweist Tye auf seine These, dass repräsentationaler nicht-extensional ist, d.h. er muss nicht notwendig alle Eigenschaften des Objektes anzeigen. Im Falle des Nachbildes vermischen sich die Repräsentation des Blutes mit der des weißen Objektes. Nach Tye ist es lediglich eine sprachliche Konvention, dass wir die Eigenschaften dem mentalen Zustand und nicht dem Objekt zuschreiben.
Hier stellt sich natürlich die Frage, ob es auch durch sprachliche Konvention erklärt werden kann, dass wir das Nachbild als Nachbild und nicht als Repräsentation des weißen Objektes erleben. Nachbilder weisen doch eine besondere Qualität auf, denn ansonsten würden wir nicht häufig so verstört reagieren, wenn wir sie erleben.

Ein weiteres Beispiel für Zustände mit scheinbar nicht-intentionalem Gehalt sind Schmerzen. Tye meint, dass diese unter Optimalbedingungen körperliche Störung repräsentieren.
"... they are mechanical responses to the relevant bodily changes in the same way that basic visual sensation are mechanical responses to proximate visual stimuli."
Dabei muss man durch den Schmerz wiederum nicht genau wissen, was genau beshcädigt ist, denn Schmerz ist ebenfalls nichtt-extensional. Weiterhin muss das Körperteil auch nicht existent sein, denn genau wie bei Nachbildern kann es sich hier um eine Übertragung von repräsentationalem Gehalt handeln.

Man kann gegen diese These wiederum einwenden, dass sich Schmerzen, im Gegensatz zu der Wahrnehmung der Müller-Lyer-Illusion, durch unsere propositionalen Einstellungen beeinflussen lassen. Wenn man z.B. beim Laufen gedanklich damit beschäftigt is, die Schönheit der Landschaft zu bewundern,  wird der Schmerz der Muskeln nicht so intensiv wahrgenommen.
Nach Tye handelt es sich aber um einen Rückkopplungseffekt: Der Schmerz wird unabängig von den Gedanken in üblicher Intensität repräsentiert, jedoch lediglich von den Gedanken rückwirkend überlagert. Das Bewusstsein des Schmerzes kann auf diese Weise verändert werden, aber nicht der Schmerz an sich.

Es ist fraglich, ob Tyes Theorie im Allgemeinen zulässig ist, da er nicht alle Arten der Erfahrung (wie z.B. Stimmungen und Emotionen) ausführlich diskutiert. Dennoch ist wichtig festzustellen, dass Tye keinen reinen Repräsentationalismus vertritt. Indem er den Gehalt als nicht-extensional bestimmt, trägt die jeweilige mentale Konstitution des erfahrenden Subjektes einen wesentlichen Teil dazu bei, was repräsentiert wird. Das ist vor allem im Hinblick auf Blocks Einwand im Hinterkopf zu behalten.

Donnerstag, 6. September 2012

Fodor, a Theory of Content

Fodor konstatiert zwei Probleme der Naturalisierung des Geistes:
1. Die Irreduzibilität des Semantischen
2. Holismus intentionaler Zustände

Das Problem des Holismus sieht er darin, dass sehr viele mentale Zustände von Menschen geteilt werden müssen, damit Generalisierungen zulässig sind. Das ist jedoch nicht zutreffend.
Er schlägt deshalb als Alternative einen Atomismus vor, mit dem die Philosophie das Problem der Intentionalität lösen könnte.

1. The Background
Fodor grenzt seinen Atomismus von Skinners Behaviorismus ab. Bei Skinner sind Wörter eine verbale Reaktion auf bestimmte Stimuli: Wäre der Stimulus nicht aufgetreten, hätte man das Wort nicht geäußert. Die Wörter werden wiederum durch positive Verstärkung gelernt.
Durch die Reduktion auf Rez-Reaktionsschemata  kann man den Gehalt mentaler Zustände nicht-semantisch erklären.

Chomskys Kritik zeigt jedoch die grundlegenden Schwächen des Behaviorismus auf: Sprachverwendung ist nach Chomsky grundsätzlich nicht als Reaktion zu verstehen, sondern als selbständige Handung. Der Gebrauch von Wörtern orientiert sich nicht an Stimuli und auch nicht an der Reaktion auf die Aussprache. Grundsätzlich lässt sich zeigen, dass Spracherwerb nicht als operante Konditionierung vonstatten geht, da Eltern nicht bei jedem "richtigen" Wort loben und falsche Aussagen sanktionieren.

Hier wendet Fodor jedoch ein, dass Chomskys EInwände nur Skinners Sprachtheorie treffen, nicht aber seine Semantik. Diese sei weiterhin für mentale Gehalte vertretbar.
Eine solche Theorie behauptet eine funktionale Kovarianz zwischen einem Stimulus und einer Reaktion (einer mentalen Repräsentation).

Dretske war einer der Ersten mit einer solchen Theorie:
F1. S-events (e.g. tokenings of symbols) express the propery P if the generalization: Ps cause Ss is counterfactual supporting.
F2. S-events carry information about P-events if Ps cause Ss is a law.

Die Informationsübertagung in F2 muss perfekt reliabel sein, da man ansonsten nach Dretske keine Stabilität der Informationsübertragung behaupten kann, z.B. bei der Anwendung der Transitivitätsregel.

Fodor meint jedoch, dass die Relation zu Referenten nicht auch die Verknüpfung des Gehaltes mit anderen erklären können muss. Dazu kann man auch eine LoT heranziehen, die eine sinnvolle Verbindung ermöglicht.

Weiterhin ist nach Fodor zu beachten, dass die reale Entstehungsgeschichte einzelner Tokens für Dretske semantisch irrelevant ist: Es geht ihm allein um die Dispositionen, bestimmte Gehalte repräsentieren zu können und somit um die gesetzmäßgie Verbindungen zwischen Typen von Gehalten und Referenten.

Aber auch Dretskes Theorie steht vor dem Problem, Fehlrepräsentationen erklären zu müssen.
Dabei besteht jedoch das folgende Dilemma:
1. Möglichkeit: Nur Hunde verursachen die mentale Repräsentation "Hund". Dann müssen alle Repräsentationen von "Hund" wahr sein.
2. Möglichkeit: Hunde oder Katzen verursachen "Hund". In diesem Fall wird die mentale Repräsentation "Hund" von beiden Referenten ausgelöst; dann ist jedoch die Reaktion auf eine Katze keine Fehlrepräsentation mehr.

Fodor nennt dieses Dilemma das Disjunktions-Problem:
(i) Jedes Token eines Symbols wird durch eine Eigenschaft ausgelöst, die hinreichend für die Verursachung des Symbols ist.
(ii) Laut F wird jede Eigenschaft, die hinreichend für die Aktivierung eines Symbols ist, durch das Symbol ausgedrückt.
Das hat zur KOnsequenz:
(iii) Jedes Token eines Symbols wird durch etwas ausgelöst, das zu seiner Extension gehört. Dadurch kann aber kein Token falsch sein.

Um dieses Problem zu lösen, unterscheiden einige Autoren zwei Arten von Situationen:
Type 1: Instantierungen der Eigenschaften sind gestzmäßig hinreichend für Instantiierungen des Symbols (Lernphasen)
Type 2: Instantiierungen des Symbols sind nicht durch Instantiierung der Eigenschaften aus der Lernphase ausgelöst.
In den Lernsituation ist der intentionale Gehalt identisch mit der Ursache der Repräsentation. Bei Fehlrepräsentationen darf diese Korrelation nicht bestehen, doch es ist fraglich, unter welchen Bedingungen dies der Fall sein kann, wenn die Relation kausal sein soll.

Dretskes Story about Error
Dretske behauptet nun, dass der Input während der Lernphase eine bestimmte Intensität hat, so dass die Informationen übermittelt werden. Sobald sich diese Struktur etabliert hat, kann dies Repräsentation auch durch andere Stimuli ausgelöst werden und das sind dann Fehlrepräsentationen.

Fodor präsentiert folgenden Einwand: Seiner Auffassung sind nicht die Inputs an sich entscheidend, sondern das, was tatsächlich gelernt wird, was wiederum schwierig zu bestimmen ist.
Das Disjunktions-Problem bei Dretske stellt sich folgendermaßen dar:
Fall 1. Katze-in-der-Nacht wird in der Lernphase getroffen und verursacht "Hund". Dann wird aber gelernt, dass "Hund" (Hund v Katze-in-der-Nacht) bedeutet.
Fall2. Katze wird in der Lernphase getroffen, aber sie verursacht "Hund" nicht. Dann wird "Hund" nur durch Hunde verursacht, wodurch sie keine Theorie der Fehlrepräsentation etablieren lässt.
Nach Fodor besteht das Problem bei Dretske darin, dass die Bedeutung der Begriffe nicht durch die aktualen, sondern durch die kontrafaktischen Stimuli bestimmt wird. Dadurch gibt es aber unendliche viele hinreichend ähnliche Eigenschaften, die ebenfalls die Repräsentation auslösen können und damit die Bedeutung determinieren.
Deshalb ist die Annahme einer Lernphase sinnlos, wenn man die kontrafaktischen Stimuli weiterhin miteinbezieht.
Nach Dretske könnte man natürlich durch operantes Konditionieren die kontrafaktischen Stimuli ausschließen. Dem entgegnet Fodor jedoch, dass es sich dann um eine naturalistische Theorie des Gehaltes handelt, da die Bestimmung des letzteren wesentlich von den Intentionen des Trainers abhängt.

Am Beispiel von Dretskes Theorie sieht man also, wie schwierig es für rein kausale Theorien ist, Fehlrepräsentationen zu erklären. Eine mögliche Alternative wären teleologische Theorien, die im folgenden Eintrag diskutiert werden sollen.

Mittwoch, 5. September 2012

Dretske, Representational Systems

Dretske führt den Begriff der Repräsentation ein, um erklären zu können, wie Gründe als Ursachen für Handlungen fungieren können.
Wenn der menschliche Geist ein repräsentationales System ist, zeigt er an, wie es sich um ein jeweiliges Objekt in der Welt verhält und diese Anzeige kann der Grund für eine Handlung sein.

Dretske unterscheidet drei Arten repräsentationaler Systeme:

Type 1 representational system:
Als Beispiel für diese Systeme nennt Dretske Karten und Diagramme. Deren Elemente haben keine intrinsische repräsentationale Kraft; sie muss dem Gegenstand vielmehr von seinem Designer zugesprochen werden. So wählt der Zeichner einer Karte z.B. ein bestimmtes Symbol fur eine Hauptstadt oder einen Berg.


Type 2 representational systems:
Beispiele für diese Art Systeme sind natürliche Zeichen, wie z.B. Spuren. Sie erhalten ihre Repräsentationsfunktion durch die Art, wie sie objektiv auf den repräsentierten Sachverhalt bezogen sind. Damit ist ihre Bedeutung, im Gegensatz zum Symbol, nicht rein durch Konvention bestimmt. Die Größe und Tiefe einer Spur im Sand sagt bspw. etwas über die Körpergröße und das Gewicht ihres Verursachers aus und diese Information wird nicht erst durch eine Konvention konstituiert. 
Bei diesen ist die Repräsentation nicht bestimmt durch die Bedeutung der Elemente, sondern durch ihre Funktion. Bspw. kann die Oberfläche einer Tankanzeige unterschiedlich gestaltet sein (mit Buchstaben oder Zahlen), dennoch bleibt ihre Funktion, die Füllung des Tanks anzuzeigen, in allen Fällen gleich.
Die Funktion wird wiederum durch die Nutzer des Systems bestimmt. EIne Tankanzeige deutet implizit auch noch weitere Sachverhalte an, aber wir entnehmen ihr nur Informationen über die Befüllung des Tanks. Die Möglichkeit der Fehlfunktion wird wiederum durch die Bestimmung der Funktion festgelegt. 
Bei diesen Systemen ist die Repräsentationsfunktion nur teilweise konventional, weil die Systeme die Disposition zur Repräsentation bereits aufweisen. Sie müssen von Seiten der Benutzer lediglich auf eine bestimmte Weise gebraucht werden und dieser Aspekt ist konventional.

Type 3 representational systems:
Dies sind natürliche Repräsentationssysteme, d.h. sie haben eine intrinsische Anzeigefunktionen. Dretske nennt als Beispiele  die Sinneswahrnehmung und die Funktion bestimmter Organe.
Ihre Funktion ist unabhängig von unserer Zuschreibung. So haben z.B. bestimmte Organismen im Meer inhärente Magneten, die ihnen die Richtung zum Nordpol weisen. Das Wasser in dieser Richtung enthält jedoch auch weniger Sauerstoff und damit weniger Toxide, was zuträglich für das Überleben dieser Bakterien ist. Hier stellt sich natürlich die Frage, welche Repräsentationsfunktion den Magneten zukommt: Sollen sie nur die nördliche Richtung anzeigen oder gleichzeitig auch sauerstoffarmes Wasser? Diese Frage wird kontrovers diskutiert, aber Dretske nimmt an, dass man intrinsische Funktionen eindeutig bestimmen kann.

Natürlich muss Dreske auch erklären können, wie Fehlrepräsentationen bei natürlichen Repräsentationssystemen möglich sind. Denn nach Dretske unterscheidet sich dadurch die Repräsentation von der Indikation; bei letzterer ist keine Fehlanzeige möglich.
Die menschliche Intentionalität zeichnet sich wiederum dadurch aus, dass wir über Sachverhalte nachdenken können, die nicht unmittelbar bestehen. Aus diesem Grund spricht man mentalen Systemen Gehalte zu.

Dretske zeigt nun für die RInge eines Baumes, inwiefernsich repräsentationale Systeme vom Typ 2 und 3 unterscheiden.
Die Ringe können von Botanisten als Anzeige der Regenfallmenge verwendet werden, wenn sich eine systematische Beziehung zwischen Regenfallmenge und Breite der RInge ausmachen lässt. (Typ 2). Es ist aber nicht die intrinsische Funktion der Breite der RInge, über die Regelfallmenge zu informieren.
Fehlrepräsentationen bei einem System vom Typ 2 entstehen, wenn das System die ihm zugeschriebene Funktion nicht erfüllt.
Bei Typ 3 ist eine Fehlrepräsentation schwieriger zu bestimmen: Ihr Bestehen hängt vom Zustand der Welt und der Art der Repräsentation, d.h. welche Funktion sie hat,  ab.

Die Funktion einer Repräsentation ist wiederum eng mit ihrem Gehalt verknüpft: Eine Repräsentation hat den Gehalt "S ist F", wenn das repräsentationale System die Funktion hat, den Sachverhalt S ist F anzuzeigen.
Der Gehalt ist bei Dretske der intensional, das bedeutet, er wird nicht durch den Referenten festgelegt. Wenn ein S die Eigenschaften F&G hat, muss S nach Dretske nicht als G repräsentiert werden.

Hier werden jedoch die Grundlagen für ein zentrales Problem des Repräsentationalismus gelegt: Wenn Gehalte intensional individuiert werden, müssen diese aber nicht mit der jeweiligen Funktion identisch sein. Es stellt sich also die Frage, ob eine Funktionsbestimmung hinreichend für die Bestimmung von intensionalem Gehalt sein kann. Mehr dazu im zweiten Beitrag zu Fodor.



Dienstag, 4. September 2012

Fodor, Wisconsin Semantics

In diesem Paper diskutiert Fodor die Grundlagen einer repräsentationalistischen Semantik.
Diese besagt, dass die Gehalte propositionaler Einstellungen (d.h. von Überzeugungen etc.) repräsentational und damit im weitesten Sinne Sachverhalte in der Umwelt anzeigen.
Ist dies der Fall, sind die Einstellungen semantisch bewertbar, d.h. sie können wahr oder falsch sein.

Befürworter dieser Theorie müssen zeigen, wie solche Repräsentationen zustande kommen. Dabei besteht das Ziel darin, Repräsentation naturalistisch zu erklären, d.h. bei der Erklärung sollen keinen intentionalen Termini verwendet werden müssen (siehe EIntrag zu Chisholm).

Eine naturalistische Definition müsste also folgende Struktur haben:
R represents S is true iff C
und C müsste eine nicht-intentionale Relation sein.

Nach Fodor gibt es zwei Möglichkeiten C auszubuchstabieren:
1. C ist eine Ähnlichkeitsrelation
2. C ist eine Kausalrelation

Nach Fodor ist die erste Möglichkeit nicht plausibel, da Ähnlichkeitsrelation symmetrisch sind, während dies für Repräsentationen nicht gilt.
Ähnlichkeit kann nach Fodor die Singularität von Repräsentationen nicht erfassen. Wenn der mentale Gehalt dem repräsentierten Gegenstand nur ähnlich ist, repräsentiert dieser implizit auch alle hinreichend ähnlichen Gegenständen.
Eine solche Erklärung wäre jedoch nicht zulässig, da man erlätuern möchte, warum genau dieser Gegenstand die mentale Repräsentation auslöst.

Kausalrelationen sind nach Fodor wiederum asymmetrische Relationen, denn die Wirkung ist nicht notwendig auch Ursache der Ursache oder dieser ähnlich.
Kausalität kann wiederum die Singularität der Repräsentation plausibel, denn nur ein je spezifischer Gegenstand hat die kausale Wirkkraft eine bestimmte Repräsentation auszulösen, aber dadurch werden nicht gleichzeitig alle seiner Art repräsentiert.
Aufgrunddessen geraten Kausaltheorien jedoch in die Schwierigkeit, Fehlrepräsentationen nicht erklären zu können.

Nach Fodor gibt es zwei Arten von Kausaltheorien:

1. epistemische und
2. rein kausale.

1. Epistemic Access Theory
Ihre These lässt sich folgendermaßen formulieren:

R represents S if you can find out about S from R.

Sie kann wiederum auf einer rein kausalen Theorie aufbauen, hat unabhängig davon jedoch erhebliche Schwierigkeiten.
1. Einwand: Epistemischer Zugang ist nicht hinreichend für Repräsentation.
Man kann z.B. über Barometer etwas über das Wetter erfahren, aber das funktioniert auch umgekehrt. Wenn sich das Wetter so und so gestaltet, kann man die entsprechende WIrkung auf das Barometer abschätzen.
2. Einwand: Die Bedingung ist zu schwach, um Ähnlichkeitsrelationen auszuschließen. Denn durch ein Bild kann man auch etwas über einen hinreichend ähnlichen Doppelgänger erfahren.
Hier können man natürlich erwidern, dass man für ein solches Verstehen relevantes Vorwissen benötigt, was wiederum den Doppelgänger bereits ausschließt. Fodoer entgegnet diesem Einwurf, dass das relevante Vorwissen nur schwierig zu bestimmen sei.
3. Einwand: Symbolische Repräsentationen können keine Fehlrepräsentationen im epistemischen Sinne sein. Da Symbole eine arbiträre Beziehung zur Welt unterhalten, kann man diese nicht geringfügig ändern, um dadurch die richtige Information zu erhalten. Deshalb ist es fraglich, wie man in diesem Zusammenhang von "Fehlrepräsentationen" sprechen kann.
Beispiel: "Tom ist Armenier" ist eine Fehlrepräsentation der Tatsache, dass Tom Schweizer ist. Man kann diese Aussage jedoch nicht einfach geringfügig ändern, damit sie die richtige Information vermittelt, denn man kann von "Armenier" nicht ohne Weiteres auf "Schweizer" schließen. Da Symbole also eine arbitäre Beziehung zur Welt unterhalten, schließen sie die Möglichkeit der Fehlrepräsentation aus.

2. Rein Kausale Theorien
R repräsentiert S, wenn R und S kausal kovariieren.

Probleme für diese Theorien:
Die kausale Kovariation verlangt, dass der Stimulus aktual sein muss, weshalb R nicht falsch sein kann. Somit stellt sich auch hier die Frage, wie Fehlrepräsentationen möglich sein sollen.

Hier kann man einwenden, dass man einfach eine kausale Kovarianz zwischen Typen behaupten kann, wobei manche Token von R eben nicht durch Token von S ausgelöst werden.

Dagegen wendet Fodor ein, dass unter dieser Bedingung S nicht mehr nur R, sondern (R v T) repräsentiert. Das ist das Disjunktionsproblem.

Dretske akzeptiert diese Konsequenz und unterscheidet deshalb zwischen zwei Phasen, um Fehlrepräsentationen erklären zu können. In der Lernphase wird seiner Auffassung nach bestimmt, was R repräsentiert. Wenn R nach der Lernphase wiederum durch T verursacht wird, handelt es sich dabei um eine Fehlrepräsentation.

Gegen diesen Vorschlag bringt Fodor folgende Einwände vor:
1. Die Lernphase kann nicht eindeutig abgegrenzt werden.
2 Die Annahme einer solchen Lernphase ist nicht hilfreich, wenn T hinreichend ist, um R auszulösen. Denn wenn dies möglich ist, muss in der Lernphase nicht die Korrelation von R und S, sondern die von R und (S v T) erlernt worden sein. Damit wäre aber die Beziehung von T und R keine Fehlrepräsentation mehr.

Drestke könnte als Modifikation vorschlagen, dass T durch operantes Konditionieren als Fehlrepräsentation markiert wird.
Dem entgegnet Fodor, dass es sich unter dieser Bedingung nicht mehr um eine naturalistische Erklärung handelt, da der Prozess wesentlich von den intentionalen Zuständen des Lehrers abhängt.

Somit ist die kausale Theorie nach Fodor nicht in der Lage, das Disjunktionsproblem zu lösen. Alternativ könnte man auf teleologische Ansätze zurückgreifen, aber mit diesen beschäftigen wir uns erst im folgenden Eintrag.


Montag, 3. September 2012

Descartes, dritte Meditation

Die dritte Meditation ist wahrscheinlich das Kernstück des gesamten Textes, denn hier möchte Descartes zeigen, dass Erkenntnis trotz des hyperbolischen Zweifels möglich ist.
Dazu führt er den sog. ideentheoretischen Gottesbeweis. Dieser wird so genannt, weil Descartes von seiner Vorstellung bzw. Idee Gottes auf dessen notwendige Existenz schließt.
Gott ist wiederum nach Descartes vollkommen und deshalb gut, weshalb er es nicht zulassen würde, dass der Mensch ständig durch einen bösen Dämon (oder sich selbst) würde.
Wenn Descartes also zeigen kann, dass es einen guten Gott geben muss, ist das Dämon-Argument widerlegt und Erkenntnis möglich.

Die grundlegende Idee des Gottesbeweises besteht darin, dass die Vorstellung Gottes irgendeine Ursache haben muss, und Descartes plädiert dafür, dass diese Ursache Gott selbst sein muss.

Das Argument lässt sich folgendermaßen zusammenfassen:

(1) Kausalprinzip:
(a) Es muss mindestens ebensoviel Sachgehalt in der wirkenden Ursache sein wie in der Wirkung der Ursache.
(b) Das gilt nicht nur für den formalen Sachgehalt der Wirkung, sondern auch für deren objektive Realität.

(2) Ich habe eine Vorstellung von einem vollkommenen Gott.

(3) Die Vorstellung von etwas Vollkommenen hat einen vollkommenen Sachgehalt.

(4) Es existiert eine vollkommnene Ursache. (aus 1,2,3)

(5) Nur Gott ist vollkommen.

(6) Ein vollkommener Gott existiert.  (aus 4 und 5)

(Diese Zusammenfassung ist aus der Vorlesung "Rationalität" von Prof. Grundmann entnommen.)

Hier muss zunächst die Terminologie der Prämissen erklärt werden:

(a) besagt im Umkehrschluss, dass die kausale Relation selbst nichts zu der Wirkung hinzufügt; alles, was konstitutiv für die Wirkung ist, muss als Sachgehalt bereits in der Ursache vorhanden sein.
(b) :  Descartes teilt die Welt in unterschiedliche Formen ein: unabängige Substanzen (Gott), abhängige Substanzen (Körper und Geist), und Eigenschaften. Diese Modalität ist der formale Gehalt einer Entität und das Prinzip (b) besagt, dass abhängige Substanzen nur abhängige Substanzen und Eigenschaften, nicht aber unabhängige Substanzen verursachen können. Durch kausale Relationen findet kein Moduswechsel statt.
Die objektive Realität ist der repräsentationale Gehalt einer Vorstellung dieses Gegenstandes.
Das Prinzip b besagt also, dass der repräsentationale Gehalt nicht dem Gegenstand keine Eigenschaften zuschreibt, die letzterer nicht aufweist.

Hier stellt sich natürlich gleich die Frage, wie pausibel diezweite Prämisse ist:
Es ist in der Forschung immer noch umstritten, wie der Geist repräsentiert und dementsprechend ist es fraglich, ob der Geist dem Gehalt nicht etwas hinzufügt, das die Ursache nicht als Eigenschaft aufweist.

Die zweite Prämisse ist mir als Tatsache des Bewusstseins gewiss.

Die dritte Prämisse ist der Knackpunkt des gesamten Argumentes: Descartes muss hier zeigen, warum wir nicht einfach durch die Negation des Unvollkommenen und Endlichen zu einer Vorstellung Gottes gelangen und warum diese Vorstellung nicht leer ist.
Nach Descartes kann diese Vorstelllung zunächst nicht leer sein, denn dazu ist sie zu klar und deutlich. Descartes' Vorstellung von Gott zeichnet diesen als eine "unendliche, unabhängige, allweise, allmächtige Substanz " aus.
Wie kommt man nun zu dieser Vorstellung? Nach Descartes eben genau nicht nur durch Abstraktion: Man negiert nicht einfach seine Unvollkommenheiten und entwickelt daraufhin die Vorstellung von etwas Vollkommenen. Wenn der Geist dem repräsentationalen Gehalt nichts hinzufügt, muss folgendes gelten:
Durch geistige Operationen können wir unsere Vorstellungen nicht inhaltlich anreichern; d.h. wir können nicht aus Vorstellungen bzgl. unserer Unvollkommenheiten eine Vorstellung von Vollkommenheit enwickeln, wenn wir den Begriff der letzteren nicht immer schon besessen haben.
Bis hierhin hat Descartes also gezeigt, dass wir eine angeborene Vorstellung Gottes haben müssen. Warum sollte diese aber von Gott verursacht sein?
Diese Frage weist auf die fehlende Prämisse hin, ohne die das Argument nicht gültig ist. Descartes muss zusätzlich behaupten, dass alles eine Ursache hat, so auch die Idee Gottes.
Wenn dies der Fall ist, kann man von der Idee der Vollkommenheit mit dem Kausalprinzip auf die Existenz einer vollkommenen Ursache schließen.

Wenn wiederum nur Gott vollkommen ist, kann man auf dieser Grundlage die notwendige Existenz Gottes behaupten.

Die Korrektheit des Argumentes hängt jedoch wesentlich von dem zweiten Kausalprinzip ab: Damit wird angenommen, dass der Geist dem repräsentationalen Gehalt nichts "hinzufügt". Dadurch lässt sich wiederum die dritte Prämisse gegen naheliegende Einwände verteidigen: Denn wenn der Geist seine Vorstellungen nicht verändert, kann die Vorstellung von Vollkommenheit keine Eigenproduktion des Geistes sein. Wenn man zusätzlich noch davon ausgeht, dass alles eine Ursache haben muss, kann nur Gott die Ursache der Vorstellung von Vollkommenheit sein.
Oben haben wir aber bereits festgestellt, dass die Prämisse nicht unbedingt einleuchtend ist, da es zweifelhaft ist, welchen Beitrag der menschliche Geist zu dem repräsentationalen Gehalt seiner Vorstellungen leistet.

Aber es wird noch ein weiterer schwerwiegender Einwand gegen diesen Beweis vorgebracht: Bereits ein Kommentator der Meditationen, Arnauld, machte Descartes darauf aufmerksam, dass seine Argumentation zirkulär ist, denn die Wahrheit der Prämissen setzt die Wahrheit der Konklusion schon voraus.
Der Gottesbeweis hat zur Folge, dass Erkenntnis möglich und  der Dämon-Zweifel aufgehoben ist, weil ein vollkommener Gott uns niemals auf diese Weise irren lassen könnte. (Als vollkommener Gott weist er natürlich die Eigenschaft der Güte auf.) Ein vollkommener Gott garantiert nach Descartes die Wahrheitsregel, die besagt, dass alles, was wir klar und deutlich erkennen, auch wahr sein muss.
Jedoch stellt sich nun die Wahrheit, wie die Prämissen des Beweisen als wahr gelten können, wenn sie zwar klar und deutlich erkannt, aber dieses Wahrheitskriterium noch nicht unter dem Schutz der göttlichen Allmacht steht.


Man könnte hier natürlich versuchen, dem Zirkel-Vorwurf zu entkommen, indem man behauptet, dass die Prämissen nicht der Wahrhietsregel unterliegen müssen.
Dazu könnte man annehmen, dass die skeptischen Argumente auf weitere Prämissen verpflichtet, wie z.B. die, dass man seine bewussten mentalen Zustände erfassen können muss und dass Kausalität ein geltendes Prinzip ist. (Der böse Dämon wird ja schließlich als Ursache unserer gestörten Vorstellungen genannt.)
Hier kann man wiederum einwenden, dass der infallible Zugang zu den bewussten mentalen Zuständen nicht die Wahrheit ihres Gehaltes verbürgt, d.h. auch wenn wir die Prämissen introspektiv infallibel wahrnehmen können, besagt das nichts über ihre Wahrheit. Weiterhin ist der Skeptiker zwar auf die Annahme von Kausalität verpflichtet, aber das bedeutet nicht, dass er Descartes' Interpretation des Prinzips (die zweite Kausalbedingung) akzeptieren muss.

Da diese Versuche nicht fruchtbar erscheinen, könnte man versuchen, den Zirkel zu umgehen, indem man behauptet, dass die Wahrheitsregel nicht von Gott abhängig ist, da der Skeptiker ebenfalls verpflichtet ist zu glauben, dass das, was er gerade bewusst erlebt, wahr ist. Gott ist nur für die Wahrheit von Erinnerungen zuständig.
In der ersten Meditation stellt Descartes jedoch genau diese Bedingung in Frage, indem er meint, dass der Betrügergott auch evidente, bewusste Wahrheiten wie 2+3=5  falsch erscheinen lassen könnte. Diese Verteidigungsstrategie wäre somit selbstwidersprüchlich.

Insgesamt erscheinen die Aussichten, die Zirkularität des Argumentes aufzulösen, doch eher gering.


Samstag, 1. September 2012

Descartes, zweite Meditation

Zu Beginn der zweiten Meditation begibt sich Descartes wieder in die Position des Zweiflers.
Er fragt, ob es etwas gibt, das von dem bisher Angezweifelten verschieden sein könnte, so z.B. die Ursache des Zweifels, der böse Dämon, der ihm die falschen Gedanken einflößt.
Aber diese Möglichkeit verwirft er, denn er könnte ja auch selbst die Ursache dieser Gedanken sein.

Dennoch beharrt er darauf, dass in beiden Fällen jeweils ein Ich präsent ist. Wenn er selbst die Ursache der Gedanken ist oder wenn sie von einem bösen Dämon verursacht werden.
Descartes meint also, er existiere, solange er denke, er sei etwas.
Unter "etwas" versteht er hier eine der beiden Möglichkeiten:
1. Er ist selbst der Urheber der Täuschung.
Dann existiert er als Täuscher, auch wenn er sich selbst über seine eigene Existenz täuschen wollte.
2. Der Dämon ist der Urheber der Täuschung.
Dann ist der Satz "ich bin" notwendig wahr, weil er als Opfer der Täuschung notwendig existieren muss. (Es gibt keine Täuschung ohne jemanden, der getäuscht wird.)

Dies ist eine abgewandelte Version des berühmten "Cogito ergo sum", das in den Meditationen gar nicht erwähnt wird. Die grundlegende Idee der aktuellen Version besteht darin, dass es auch in dem hyperbolischen Täuschungsszenario immer ein Ich geben muss, das entweder getäuscht wird oder sich selbst täuscht. Auf diese grundlegende Annahme ist der skpetische Zweifel verpflichtet und dementsprechend kann er sie nicht sinnvoll anzweifeln.
Es handelt sich folglich um eine Gewissheit im cartesischen Sinne, d.h. sie kann nicht plausiblerweise bezweifelt werden.

Descartes hält diese Erkenntnis für evident, denn anstatt sie zu verteidigen, geht er dazu über, die Natur des Ich bestimmen zu wollen. Dabei beruft er sich nicht auf den Begriff des Menschen als animal rationale, sondern er geht von seinen Intuitionen aus. (Hier wechselt er also die Methode vom methodischen Skeptizismus zum Partikularismus)
Körper sind für Descartes ausgedehnt und haben einen Ort und eine Gestalt, nicht aber die Fähigkeit, sich aus eigener Kraft zu bewegen.
Das Vermögen des Selbstbewegens, des Denkens und Empfindens gehören nicht zu Körpern.
Alle körperlichen Prozesse sind wiederum von den skeptischen Argumenten betroffen; allein das Denken bildet, wie wir oben gesehen haben, eine Ausnahme. (Was wiederum nur so lange gilt, wie man denkt.)
Aus der Immunität des Denkens gegenüber dem Zweifel schließt er nun, dass das Denken eine vom Körper verschiedene Substanz sein muss.

Ein denkendes Ding ist ein solches, das zweifelt, einsieht, bejaht, verneint, will, nicht will, bildlich vorstellt und empfindet.  (Empfinden ist Teil des Denkens, solange es sich auf die Vorstellungen des Geistes und nicht auf die Gegenstände in der Welt bezieht.)

Gegen die Annahme eines solchen denkenden Dinges könnte man nun einwenden, dass wir dieses nicht erfassen. Introspektion, d.h. die Bezugnahme auf unsere mentalen Zustände, zeigt uns immer nur die Gehalte an, nicht aber unser ich. In diesem Sinne ist das Ich bzw. das Bewusstsein sich selbst gegenüber transparent: Wir erkennen uns in unserem Denken, Wahrnehmen, Fühlen etc. nicht.

Descartes argumentiert gegen diesen Einwand, indem er zeigt, dass unsere mentale Prozess notwendig begrifflichen Gehalt haben und durch die Anwendung dieses Gehaltes ist das Ich in jeder Vorstellung mittelbar präsent.
Wenn wir bspw. ein Stück Wachs wahrnehmen, erleben wir nach Descartes nicht nur Vorstellungen bzgl. seiner sekundären Eigenschaften wie Farblichkeit, Geruch etc. Wir erfassen auch die Substanz des Gegenstandes, d.h. seine Ausdehnung, Anzahl, Veränderbarkeit. Für letzteres müssen wir unseren Vorstellungen jedoch Begriffe zuordnen und dies ist nach Descartes eine Operation des Denkens.
Durch das Denken ist aber wiederum der Geist/dasBewusstsein/das Ich präsent in jeder Vorstellung und Descartes nimmt an, dass er aufgrund dieser permanenten Präsenz gewisser ist als die Gehalte des Bewusstseins.

Wie man bereits an der sprachlichen Formulierung erkennt, verwendet Descartes die Begriffe Geist, Bewusstsein und Ich synonym, was dazu führt, dass sein Argument nicht überzeugend ist.
Er müsste vielmehr zunächst beweisen, dass Ich und Bewusstsein identisch sind, indem er z.B. zeigt, dass es kein Ichloses Bewusstsein geben kann. Weiterhin müsste er dann die Verbindung von Bewusstsein und begrifflichem Gehalt nachweisen, so dass die Möglichkeit von unbewussten begrifflichen Gehalt ausgeschlossen wird. Erst wenn diese Gleichsetzung von Ich, Bewusstsein und der Anwendung von begrifflichen Gehalt etabliert ist, kann sie als Erklärung für die permanente Präsenz des Ich verwendet werden.

Die Forschungsdiskussion der zweiten Meditation bezieht sich vor allem auf das Cogito-Argument. Dabei besteht die grundlegende Frage darin, ob es sich bei Cogito ergo sum um  einen Schluss handelt, und wenn ja, um welchen.

Dass es sich um keinen Schluss handelt, dafür spricht zunächst, dass Descartes ihn in den Meditationen nicht als einen solchen formuliert.
Weiterhin kann man zwei Argumente dafür vorbringen, dass ein solcher Schluss nicht korrekt wäre.
Man könnte das Argument folgendermaßen formulieren:
1. Es ist unmöglich, dass etwas, das denkt, nicht exisitert.
2. Ich denke.
K1. Also existiere ich.

Grundmann argumentiert dafür, dass Descartes diesen Schluss ablehnt, weil man die erste Prämisse erst beweisen müsste und damit das Cogito nicht mehr die erste Gewissheit wäre. Wenn man die erste Prämisse aber induktiv beweist, wäre das Argument question-begging. Denn wenn man zeigen will, dass alles, was denkt, auch existiert, muss man sich selbst in die Beweisführung integrieren und damit wäre als wahr vorausgesetzt, was man durch das Cogito-Argument eigentlich erst zeigen wollte.

Nach Dicker ist dieses Argument question-begging, wenn man das Ich in der zweiten Prämisse substantiell versteht. Denn hier wird die Existenz dieses Ich schon  als wahr vorausgesetzt, damit man diesen Satz überhaupt sinnvoll formulieren kann.
Wenn man diese Prämisse jedoch zu "There is thinking" oder "There are thoughts" abschwächt, wie Bertrand Russell es vorschlägt, kann man daraus nicht schließen, dass man selbst als "ich" existiert.
Somit erscheint es fraglich, wie das Cogito-Argument als solches sinnvoll formuliert werden könnte.

Grundmann und Williams argumentieren dafür, dass die erste Prämisse semantisch und nicht ontologisch zu verstehen ist. Das bedeutet, sie macht keine Aussage darüber, wie es sich in der Welt verhält, sondern nur darüber, wie wir den Satz "ich denke" verstehen.
Williams formuliert die Prämissen deshalb folgendermaßen:
1*. Es ist unmöglich zu denken ohne zu existieren.

Nach dieser Interpretation ist das Cogito evident, d.h. es ist so einleuchtend, dass jeder der diese Proposition denkt, sie auch für wahr halten muss. Dadurch ist das Cogito aber noch keine Gewissheit, denn es lässt sich weiterhin durch das Argument des bösen Dämons bezweifeln.
Wenn seine Gewissheit jedoch erst bewiesen werden müsste, handelte es sich beim Cogito nicht um das erste Prinzip der Philosophie, denn ein Beweis müsste auf anderen gewissen Prämissen basieren.

Diese Schwierigkeit kann Descartes jedoch umgehen, indem er in der zweiten Meditation einen indirekten Beweis vorlegt. Wie oben bereits dargestellt, macht Descartes deutlich, dass der hyperbolische Zweifel auf eine der beiden Grundlagen festgelegt ist: Entweder gibt es ein denkendes Ich, das sich selbst ständig täuscht, oder es gibt einen bösen Dämon, dessen Täschung notwendigerweise ein getäuschtes Subjekt bedarf.
Dadurch dass gezeigt werden kann, dass der Skepktiker auf eine dieser beiden Prämissen verpflichtet ist, wird das Cogito als erstes Prinzip des Denkens und der Philosophie ausgewiesen, aber Descartes muss keine grundlegenden Wahrheiten voraussetzen. Seine Argumentation verläuft vielmehr genau umgekehrt: Wenn alle Gedanken zweifelhaft sind, muss man entweder jemanden annehmen, der sich selbst täuscht, oder jemanden, der getäuscht wird. Somit ist die notwendige Prämisse der hyperbolischen Zweifel, dass es jemanden gibt, der getäuscht wird, und da "getäuscht werden" eine Form von Denken ist, handelt es sich dabei nur eine spezielle Formulierung des Cogito.





Dienstag, 28. August 2012

Descartes, 1. Meditation

Descartes' Meditationen über die erste Philosophie werden als Grundlegung der modernen Erkenntnistheorie angesehen. Die Modernität des Textes besteht darin, dass Descartes den Erkennenden selbst in das Zentrum der Untersuchung rückt und allein auf dieser Grundlage die Grenzen der Erkenntnisfähigkeit zu bestimmen versucht.

Um die Argumentation der Meditationen zu verständlich zu machen, muss zunächst Descartes' grundlegende epistemische Position erklärt werden.

1. Fundamentalismus
Descartes geht davon aus, dass Wissen und Erkenntnis ein Fundament haben, d.h. dass man seine Überzeugungen so weit analysieren kann, bis man auf grundlegende trifft, die nicht weiter analysiert werden können und somit basal sind. Die basalen Überzeugungen müssen wahr sein und ihre Wahrheit (plus die korrekte Anwendung von logischen Prinzipien) garantiert die Wahrheit von komplexeren Überzeugungen. 

Offensichtlich besteht die größte Schwierigkeit dieser Position darin zu erklären, wie die grundlegenden Überzeugungen wahr sein können, wenn dies nicht durch weitere Überzeugungen begründet wird. In diesem Falle wären die Überzeugungen schließlich nicht basal.Ein wesentliches Ziel der Meditationen besteht folglich darin, dieses Problem zu lösen.

Man kann natürlich auch andere epistemische Theorie vertreten wie z.B. den Kohärentismus und den Reliabilismus.
Der Kohärentismus bestimmt die Wahrheit einer Überzeugung in ihrer Übereinstimmung mit möglichst vielen anderen Überzeugungen, die das jeweilige Subjekt vertritt. Wenn sich eine Überzeugung problemlos in unsere Theorie über einen Sachverhalt einfügen lässt, gilt sie als wahr. Hier ist natürlich fraglich, inwiefern die Übereinstimmung einer solchen Theorie mit der Welt gewährt ist. Denn schließlich kann man auch eine konsistente Theorie vertreten, die aber in ihrer Gesamtheit an der Welt vorbeigeht.
Der Reliabilismus behauptet wiederum, dass eine Überzeugung wahr ist, wenn ihr propositionaler Gehalt der Fall ist und wenn sie durch einen reliablen Prozess erworben worden ist. Ein reliabler Prozess ist z.B. die Wahrnehmung, die in der Mehrheit der Fälle eine zutreffende Repräsentation der Umwelt erzeugt. Für den Reliabilismus ist dabei nicht entscheidend, ob dem Subjekt die Überzeugung auch bewusst ist; Wissen wird hier folglich externalistisch definiert. Darin bestehnt wiederum eine große Schwierigkeit des Reliabilismus, denn er muss erklären können, warum z.B. die reliablen Prozesse einer Maschine kein Wissen erzeugen, d.h. inwiefern der Aspekt der Reliabilität für die Produktion von Wissen überhaupt relevant ist.

2. Internalismus
Descartes geht davon aus, dass die Grundlagen des Wissens bzw. der Erkenntnis nur aus der Perspektive des Subjekts bestimmt werden können. Sie hängen also davon ab, wie das Subjekt intern konstituiert ist.
Der Internalismus behauptet, dass die Rechtfertigung einer Überzeugung dem Subjekt zugänglich sein muss. Bei Descartes werden Überzeugungen durch Vorstellungen gerechtfertigt, weshalb man introspektiven Zugang zu diesen haben muss.

Im Gegensatz dazu behauptet ein Externalist, dass die Rechtfertigung für das Subjekt selbst nicht verfügbar sein muss; sie muss lediglich objektiv erkennbar sein. Wenn man bspw. ein externalistischer Reliabilist ist, geht man davon aus, dass Überzeugungen durch Wahrnehmungen gerechtfertigt werden können. Da Wahrnehmungen im Allgemeinen durch reliable Prozesse hervorgebracht werden, gelten sie als Rechtfertigung, auch wenn sich das Subjekt ihrer nicht bewusst ist.
3. Methodologie

Das Ziel von Descartes' Untersuchung besteht in einem erkenntnistheoretischen Fundamentalismus, d.h., er möchte eine unbezweifelbare Grundlage des Wissens finden, von der aus er zu weiteren gesicherten Erkenntnissen gelangen kann.
Sein methodisches Vorbild ist dabei Eukids Geometrie, denn diese basiert auf einfachen logischen Prinzipien (z.B. dem der Transitivität) und generiert durch ihre Kombination ein umfassendes mathematisches Wissen. Im Unterschied zur Mathematik müssen jedoch in der Philosophie zuerst alle bereits bestehenden Vorannahmen über unser Wissen in Frage gestellt werden, da sich nur auf diese Weise ein stabiles Fundament des Wissens errichten lässt. Zu diesem Zweck wendet Descartes in der ersten Meditation den methodischen Zweifel auf alle seine Überzeugungen bzgl. der Erkenntnisquellen (Wahrnehmungen, phänomenale Evidenz, rationale Einsicht) an. Er stellt also nicht alle seine Meinungen als Token in Frage, denn dies wäre viel zu aufwändig, sondern vielmehr seine Überzeugungen bzgl. der Quellen, mit deren Hilfe Meinungen über Sachverhalte in der Welt gebildet werden.
Seine methodische Vorgehensweise unterscheidet sich dabei von denen des Partikularismus und des Skeptizismus, die bis dato die grundlegenden Positionen der Erkenntnistheorie darstellten. Descartes ist kein Partikularist, weil er nicht von bestimmten, evidenten Intuitionen ausgeht, um mit ihrer Hilfe Begriffsinhalte zu klären. Im Gegenteil: Er stellt diese Intuitionen bzgl. der Erkenntnisquellen in Frage, da er sie nicht für unbezweifelbar hält. Andererseits ist Descartes auch kein Skeptiker, wie z.B. die Pyrrhonischen Skeptiker in der Antike, die lediglich feststellten, dass keine Überzeugung gewiss ist und man sich deshalb meist seines Urteils enthalten sollte. Descartes' Ziel ist hingegen konstruktiv, d.h., er nutzt den Zweifel als Mittel, um zu sicherer Erkenntnis zu gelangen und daraufhin sein Wissen über die Welt neu aufzubauen.
Um die Art des cartesisches Zweifels näher zu bestimmen, muss man zwischen begrifflicher und epistemischer Notwendigkeit unterscheiden. Die Wahrheit einer Aussage ist begrifflich notwendig, wenn sie unter keinen Umständen falsch sein kann. So ist z.B. die Aussage „Junggesellen sind unverheiratete Männer“ begrifflich notwendig wahr, weil „unverheirateter Mann“ zum Begriffinhalt von „Junggeselle“ gehört. Im Gegensatz dazu ist die Wahrheit einer Aussage epistemisch notwendig, wenn es zwingende Gründe für ihre Wahrheit gibt. Dass es für die Wahrheit der Aussage zwingende Gründe gibt, bedeutet, dass man sie nicht legitimerweise bezweifeln kann.
Diese Unterscheidung ist nun wichtig für das Verständnis des cartesischen Zweifels: Descartes muss in der ersten Meditation nicht zeigen, dass unsere Erkenntnisquellen falsche Meinungen erzeugen. Er muss lediglich zeigen, dass die Meinungen bezwefelbar sind, denn das ist aus der Perspektive eines epistemischen Wahrheitsbegriffes hinreichend dafür, dass man sie nicht für gewiss halten kann.


4. Die Argumente

Descartes stellt in der ersten Meditation nicht alle seine Überzeugungen als Token in Frage, denn das wäre rein logisch nicht möglich. Schließlich muss er, um die Rechtfertigung einer Überzeugung zu bezweifeln, eine andere Überzeugung heranziehen, aber diese könnte doch durch eine dritte Überzeugung wiederum zweifelhaft erscheinen. Es entstünde hier also ein Regress. 

Um diesen zu vermeiden, stellt Descartes lediglich die Prinzipien in Frage, auf denen die Überzeugungen basieren. Die verschiedenen Interpretationen der Mediationen unterscheiden sich anhand der Bestimmung der Prinzipien. Ein gemeinsamer Nenner der Forschung ist jedoch, dass Descartes's Zweifel sich gegen den aristotelischen Empirismus richten. Dieser behauptet, dass wir all unsere Überzeugungen und unser Wissen vermittelt durch die Sinneserfahrung erhalten.

Das erste Argument greift somit die grundlegende These des Empirismus an: Sinneswahrnehmung kann keine Quelle von Erkenntnis sein, denn sie dafür täuscht sie uns zu oft. Wenn ein Gegenstand bspw. weit entfernt, nehmen wir ihn kleiner wahr als er tatsächlich ist. 

Gegen dieses Argument wendet Descartes nun ein, dass es doch bestimmte Wahrnehmungen gibt, über die man sich nicht täuscht, so z.B. das Erleben des eigenen Körpers. Dieser Wahrnehmungen könne man sich doch dann gewiss sein. 

Diese Modifikation des Argumentes wird von der Kritik unterschiedlich interpretiert: Einige deuten sie als Bedingung, dass Descartes sich nur noch Warhnehmungen unter Optimalbedingungen beziehe.
Diese Interpretation finde ich aber nicht plausibel, denn sie wird nicht durch Descartes' weitere Ausführungen gestützt. Er meint nämlich, dass sich nur Verrückte über die eigene Körperwahrnehmung täuschen. Wenn es hier also um Wahrnehmung unter Optimalbedingugnen ginge, müsste Descartes behaupten, dass sich nur Verrückte bzgl. der Wahrnehmung unter solchen Konditionen irren. 

Das scheint jedoch nicht der Fall zu sein: Auch wenn die Lichtverhältnisse perfekt sind, erkennen wir die Linien der Müller-Lyer-Illusion nicht als parallel. Folglich müssten wir alle in diesem Moment als verrückt gelten, was jedoch nicht zutreffend ist. 
Somit ist zu überlegen, ob Descartes mit seinem Beispiel nicht auf einen anderen Aspekt der Körperwahrnehmung anspielt, nämlich ihren phänomenalen Charakter. Es fühlt sich irgendwie an, einen Körper zu haben, und wer diese Empfindung verliert oder gar nicht erleben kann, wird tatsächlich als "verrückt" angesehen, bzw. man unterstellt der Person eine neurologische Störung. Trifft diese Interpretation zu, modifiziert Descartes das Argument nicht dahingehend, dass man unter Optimalbedingungen seiner Wahrnehmung vertrauen kann, sondern er behauptet, dass Wahrnehmungen mit einem bestimmten phänomenalen Charakter zuverlässig sind. 

Die Deutung des Traum-Argumentes hängt wiederum von der Interpretation dieser Modifikation ab. Descartes führt hier an, dass sich träumen und wachen manchmal nicht voneinander unterscheiden lassen. Formalisiert lässt sich das Argument folgendermaßen darstellen: 

P1. I sometimes have vivid dreams that are qualitatively like my best waking experiences. 
P2. If I sometimes have vivid dreams that are qualitatively like my best waking exeriences, then I cannot distinguish with certainty between my best perceptions and vivid dreams. 
K1. I cannot distinguish with certainty between my best perceptions and vivid dreams. 
P3. if I cannot distinguish with certainty between my best perceptions and vivid dreams, then even my best perceptions provide no certainty. 
K2. Even my perceptions provide no certainty.

Das Argument besagt also, dass man durch Wahrnehmung keine Erkenntnis erlangen kann, weil man sie nicht mit Gewissheit von Träumen unterscheiden kann.

Williams und andere interpretieren dieses Argument als Generalisierung der Kritik an der Sinneswahrnehmung: Bei dieser kann man auf die Bedingungen reflektieren und dadurch fehlerhafte Wahrnehmung erkennen. Das Traum-Argument zeigt nun, dass diese Reflexion nicht zu Erkenntnis führt: Denn auch wenn man die Konditionen der Wahrnehmung in Betracht zieht, kann man dadurch nicht wissen, ob man nicht gerade träumt. Folglich macht das Traum-Argument deutlich, dass man allein auf der Grundlage von Wahrnehmung keine gewisse Erkenntnis erreichen kann.

Diese Interpretation erscheint nicht unplausibel, allerdings liest sie meiner Meinung nach die erste Prämisse zu stark und lässt das Traum-Argument kontraintuitiv erscheinen.
Ich weiß nicht genau, wie es sich bei anderen Menschen verhält, aber meine Träume unterscheiden sich inhaltlich sehr stark von meinen Erfahrungen im Wachen. Im Traum kann ich fliegen und kämpfe todesmutig mit irgendwelchen Monstern. Außerdem entbehren die Kausaverhältnisse in meinen Träumen jeglicher Nachvollziehbarkeit.
Meine Träume und meine Erfahrung im Wachen sind sich jedoch qualitativ ähnlich in dem Sinne, dass ich sie in dem jeweiligen Moment für "real" halte. So beende ich nicht einfach den Kampf gegen ein Monster, weil ich ihm seine Existenz abspreche. Und selbst wenn, das Monster würde dann wohl nicht einfach verschwinden.
In diesem Sinne sollte man meiner Meinung nach auch die erste Prämisse des Traum-Argumentes verstehen: Träumen und Wachen ähnlich sich qualitativ, weil sie sich gleich anfühlen, aber nicht notwendig auch inhaltlich.
Descartes bemerkt ebenfalls, dass ich im Traum noch "viel Unglaublicheres" erlebe als im Wachen. Somit kann er mit diesem Argument nicht sagen wollen, dass ich meine Träume nicht von meinem Erleben im Wachen unterscheiden kann. Meiner Auffassung nach wollte er damit vielmehr behaupten, dass man sie qualitativ nicht unterscheiden kann.
Das Traum-Argument richtet sich dann unmittelbar gegen die oben formulierte Modifikation des ersten Argumentes. Dort word behauptet, dass man Körperwahrnehmungen zuverlässig sind, weil sie einen bestimmten phänomenalen Charakter aufweisen. Das Traum-Argument bestreitet dies nun, weil wir ein solches phänomenales Erleben auch im Traum verspüren und es somit kein Indikator für veridische Wahrnehmung sein kann.

Gegen das Traum-Argument bringt Descartes den EInwand vor, dass die Gehalte des Traumes aus Konstituenten bestünden, die ein Vorbild in der Realität haben müssten. So sind Körper im Traum ebenfalls ausgedehnt. Weiterhin müssen doch basale mathematische Operationen auch im Traum korrekt ausgeführt werden können.
Die Gehalt der Träume weisen nach Descartes also bestimmte formale EIgenschaften auf, die nicht wiederum das Produkt unseres Geistes sein können. Denn es nicht bspw. nicht vorstellbar, wie Körper anders als ausgedehnt sein könnten. (Hier stellt sich jedoch die Frage, ob der Einwand zwingend ist: Nur weil etwas begrifflich notwendig sein, heißt das nicht, dass es auch existent ist.)

An dieser Stelle bringt Descartes nun den stärksten Zweifel vor. Da sehr viele Menschen an einen allmächtigen Gott glauben, ist es vorstellbar, dass dieser uns in unseren Vorstellungen und geistigen Prozessen ständig betrügt.
Dabei ist die Allmacht des Dämons keine notwendige Bedingung für das Argument: Nach Descartes ist es auch vorstellbar, dass wir die Geschöpfe eines nicht allmächtigen Schöpfers sind. Unter dieser Bedingung ist es ebenfalls vorstellbar, dass wir uns ständig täuschen, denn wer sollte die Korrektheit unserer Schlüsse gewährleisten? Folglich besteht das grundlegende Problem des Dämon–Argumentes darin, dass wir die korrekte Funktionsweise unserer mentalen Prozesse allein durch Introspektion nicht überprüfen können, da sich die Introspektion immer nur auf bereits erzeugte Vorstellungen bezieht. Dementsprechend kann sie nicht feststellen, ob die ihnen zu Grunde liegenden Prozesse fehlerhaft sind. Dadurch werden aber die Überzeugungen, die auf diesen Vorstellungen basieren, zweifelhaft, auch wenn ihr Gehalt lediglich formale Inhalte darstellt.

Das Dämon- Argument ist von der Kritik gemeinhin so verstanden worden; die Interpretationen unterscheiden sich lediglich dahingehend, wie es mit den ersten beiden Argumenten in Verbindung steht.
Zunächst einmal ist es fraglich, warum Descartes mathematisches Wissen hier überhaupt anführt, da es seiner Meinung nach nicht empirisch ist.
Einige sehen dies als Zeichen dafür, dass Descartes hier nicht seine eigene Position vertritt, sondern die eines Empiristen.
Stimmt man dieser Deutung zu, stellt sich weiterhin die Frage, inwiefern mit diesem Argument der Empirismus weiter unterminiert wird als dies bereits beim Traum-Argument der Fall ist.
Nach Williams zeigt das Traum-Argument lediglich die allumfassende Möglichkeit der Täuschung, aber diese impliziert nicht die Möglichkeit der allumfassenden Täuschung. Letztere wird erst durch das Dämon-Argument ins Spiel gebracht. Bei den vorigen Argumenten können wir uns nämlich immer auf bestimmte Überzeugungen stützen, um die Argumente zu kritisieren. Dies ist beim Dämon-Argument nicht möglich, da die mentalen Zustände in ihrer Gesamtheit in Frage gestellt werden.

Diese Interpretation erscheint an sich plausibel, dennoch wirkt das Dämon-Argument ihr zu Folge etwas deplatziert. Die ersten beiden Argumente bauen den traditionellen Interpretationen aufeinander auf und steigern die Intensität des Zweifels. Das letzte Argument stellt eibenfalls eine solche Steigerung dar, aber es basiert nicht auf den vorigen. Dadurch erscheint die traditionelle Interpretation nicht sachlich falsch, aber wenig elegant.
Eine elegantere Alternative wäre meiner Meinung nach zu behaupten, dass Descartes in der ersten Meditation unterschiedliche Aspekte des Gehaltes untersucht. Nach dieser Auslegung kritisiert jedes Argument einen bestimmten Aspekt von mentalem Gehalt und macht damit deutlich, dass keiner dieser für die Wahrheit des Gehaltes garantiert.
Das erste Argument fragt ganz allgemein nach dem empirischen Gehalt von Wahrnehmungen, während sich das zweite auf den phänomenalen Gehalt fokussiert. Der Dämon-Einwand stellt wiederum den a priori bzw. begrifflichen Gehalt in Frage, d.h. Gehalt, der ohne Erfahrung präsent sein kann.


Sonntag, 12. August 2012

Chisholm

Chisholms "Intentional Inexistence" beschäftigt sich mit Intentionalität aus sprachanalytischer Perspektive, d.h. er vertritt die These, dass man Intentionalität auf sprachliche Aspekte reduzieren kann. Deshalb untersucht er die Verwendung von intentionalen Prädikaten.

Laut SEP reduziert Chisholm Intentionalität damit auf Intensionalität. Was ist Intensionalität?
Man definiert sie in Abgrenzung zu Extensionalität, die wiederum zwei Bedingungen erfüllt.

1. In extensionalen Kontexten kann man zwei koreferentielle Ausdrücke wahrheitswerterhaltend ersetzen. Z.B.
a. Hesperus shines
b. Phosphorus shines.
Da sich beide Sätze auf denselben Planeten beziehen, kann man die Ausdrücke gegeneinander austauschen und der Satz bleib dennoch wahr, wenn er wahr ist.

2. Man kann in beiden Sätzen auf die Existenz der Referenten schließen.
Denn wenn man behauptet, dass etwas leuchtet, muss vorausgesetzt werden, dass es dieses Etwas auch gibt.

Intensionale Kontexte unterscheiden sich in diesen beiden Aspekten von extensionalen:
c. Ava believes that Hesperus is shining.
d. Ava believes that Phosphorus is shining.
Hier ist es nicht der Fall, dass man Hesperus und Phosphorus miteinander vertauschen könnte und der Satz bliebe notwendig wahr. Denn es ist möglich, dass Ava den Planeten unter dem Namen "Hesperus", aber nicht unter seinem anderen Namen kennen.
Genauso kann man von Avas Überzeugung nicht darauf schließen, dass es den jeweiligen Referenten auch gibt. Schließlich könnte Ava unter Wahnvorstellungen leiden und sich den Planeten nur ausgedacht haben. Vgl. SEP

Chisholm meint also, dass man Intentionalität auf Intensionalität reduzieren kann, d.h. dass man durch die Analyse der intensionalen Kontexte Intentionalität wesentlich erfasst. Konkret vertritt er zwei Behauptungen: 
C1: Wenn etwas intentionaler Natur ist, dann muss es mit Hilfe von intensionalen Sätzen beschrieben werden.
C2: Wenn etwas nicht-intentionaler Natur ist, dann muss es nicht mit intensionalen Sätzen beschrieben werden.
C2 bedeutet, dass man physische Sachverhalte mit intensionalen Sätzen beschreiben kann, dies aber nicht zwingend ist. So kann man seinem Computer unterstellen, dass er spinne, aber wenn man über das entsprechende Vokabular verfügt, kann man diesen Sachverhalte auch nicht mit intensionalen Prädikaten beschreiben. Bei Sätzen wie c und d ist diese alternative Beschreibung nach Chisholm nicht möglich.

Chisholm formuliert drei Kriterien zur Bestimmung intensionaler Sätze:
1. Wenn der intensionale Satz einen singulären Term enthält, kann man nicht darauf schließen, dass der Referent des Terms auch existiert.
2. Die Ersetzung singulärer Terme in intensionalen Sätzen ist nicht wahrheitswerterhaltend.
3, Wenn der intensionale Satz einen "dass-Satz" enthält, kann nicht auf die Wahrheit der Proposition des "dass-Satzes" geschlossen werden.
Gleichermaßen kann man in allen drei Fällen aus der Negation der Sätze nicht auf die Falschheit/Nicht-Existenz des Referenten geschlossen werden.

Hier kann man natürlich einwenden, dass die dritte Bedingung nicht für faktive Verben gilt. Denn wenn jemand weiß, dass London die Hauptstadt von England ist, dann impliziert das die Wahrheit des Sachverhaltes, denn wissen kann man nur Tatsachen.
Deshalb formuliert Chisholm die Bedingung auch im Hinblick auf die Negation intensionaler Sätze: Wenn jemand wiederum nicht weiß, dass London in England liegt, kann man daraus nicht den Schluss ziehen, dass es sich nicht dort befindet.

Weiterhin kann man gegen Chisholms Strategie einwenden, dass es intensionale Sätze gibt, die sich nicht auf intentionale Phänomene beziehen. So impliziert die Wahrheit von Sätzen wie e nicht die Wahrheit von f.
e. It is a natural law that all Ps are Q.
f. It is a natural law that all Ps are R.
Denn Naturgesetze gelten immer nur unter bestimmten Bedingungen und weil diese in manchen Fällen nicht erfüllt sind, kann man von e nicht auf f schließen. Damit wäre Intensionalität nicht mehr hinreichend für Intentionalität und Chisholms Ansatz wäre nicht geeignet, um Brentanos Probleme zu lösen.

Zusätzlich könnte man dafür argumentieren, dass intensionale Sätze auch nicht notwendig sind, um Intentionalität zu erfassen. Denn intentionale Zustände könnten als Ursachen von Verhalten relational beschrieben werden, so z.B. als die Ursache des Verhaltens von xy. Dadurch müsste man prima facie nicht auf intentionale Prädikate zurückgreifen.
Hier stellt sich jedoch die Frage, ob diese Individuation feinkörnig genug ist, da bestimmte Verhaltensweisen durch unterschiedliche mentalen Zustände ausgelöst werden können.

Chisholm selbst untersucht diesen Einwand anhand von Ayers Vorschlag, dass man Intentionalität auf Sprachverhalten reduzieren könne. Nach Ayer kann man "denken" folgendermaßen definieren:
"A man is thinking of a unicorn if the man is disposed to use symbols which designate unicorns."
Nach Chisholm verschiebt er dadurch das Problem nur, da es sich bei "designate" ebenfalls um ein intensionales Prädikat handelt.
Man könnte nun versuchen, "designieren" mit Hilfe von "Intension" behavioristisch zu reformulieren, wie z.B. der Vorschlag von Caranap:
" The intension of a predicate Q for a speaker X is the general condition which an object must fulfill in order for x to be willing to ascribe the predicate Q to v."
Nach Chisholm kann diese Definition  Fehlbezeichnungen nicht integrieren. Denn wenn man "Fuchs" für Hund sagt, muss der Fuchs die Bedingungen der Zuschreibungen erfüllen. Damit hätte man aber nicht nur die Intension von "Fuchs"; sondern die von "Fuchs oder Hund" bestimmt, was nach Chisholm zu weit ist.

Anschließend betrachtet Chisholm zwei weitere Reduktionsversuche:
1. Man könnte intensionale Prädikate auf "signify" reduzieren wollen. Damit müsste man behaupten, dass ein sprachliches Zeichen eine ähnliche Wirkung auf das Subjekt hat wie sein Referent. Da die intensionalen Prädikate somit nur eine Kausalrelation bezeichnen, könnte man sie durch "signify" und die physische Beschreibung vollständig ersetzen.
Hiergegen bringr Chisholm den Einwand der multiplen Realisierbarkeit vor. Denn es ist für ihn nicht klar, wie ähnlich die Wirkung des Zeichens auf das Subjekt sein muss, damit solch eine Reduktion gerechtfertigt ist.
2. Man könnte versuchen, intensionale Prädikate auf "erwarten" und die Beschreibung eines zukünftigen Zustandes zu reduzieren. "Erwarten" lässt sich wiederum als Disposition zu einem bestimmten körperlichen Zustand (Schock oder positive Verstärkung) zusammenfassen.
Hier wendet Chisholm jedoch ein, dass dieser körperliche Zustand nicht notwendig eintritt, und dies kann man nur erklären, wenn man die mentalen Zustände des Subjektes berücksichtigt. So kann man z.B. die Mutter am Bahnhof treffen, aber sie nicht erkennen. Objektiv wäre dann die Erwartung erfüllt, aber der entsprechende körperliche Zustand stellt sich nicht ein, weil andere mentale Zustände intervenieren.

Es scheint offensichtlich, dass die rein behavioristischen Reduktionsversuche nicht erfolgversprechend sind. Die funktionalistische Idee, intentionalen Zustände anhand ihrer Kausalrelationen zu individuieren, passt eineseits gut in ein physikalistisches Weltbild. Andererseits muss man überlegen, ob Kausalität feinkörnig genug für semantische Relationen ist. Das wird im Hinblick auf die Naturalisierung intentionaler Zustände noch näher untersucht. 

  SEP = Jacob, Pierre, "Intentionality", The Stanford Encyclopedia of Philosophy (Fall 2010 Edition), Edward N. Zalta (ed.), URL = <http://plato.stanford.edu/archives/fall2010/entries/intentionality/>.

Dienstag, 7. August 2012

Husserl

Husserls zweites Kapitel "Bewusstsein als psychischer Akt" ist u.a. eine Replik auf Brentanos Theorie der Intentionalität. Das Ziel von Husserls Ausführungen besteht jedoch nicht darin, eine Definition von "Mentalität" zu entwickeln, da er vielmehr im Rahmen seiner phänomenologischen Ausrichtung das subjektive Erleben der Intentionalität erst einmal beschreiben möchte.

Husserl grenzt sich zunächst von Brentanos Terminologe ab, denn Intentionalität ist seiner Aufassung nach nicht als Relatin zwischen einem Bewusstsein und einem Objekt zu verstehen.
Konkret kritisiert er zwei Aspekte:
1. Ein mentaler Zustand ist nicht als Gefäß zu verstehen, das Gegenstände enthält.  Damit lehnt er den Begriff der "immanenten Gegenständlichkeit", da seiner Theorie zu Folge der Akt nicht unabhängig vom Gegenstand zu denken ist. Nach Husser gibt es nur ein intentionales Erlebnis, dass sich anhand mit Hilfe der Terminologie "Intention" und "Gegenstand" beschreiben lässt. Diese setzen jedoch keine Existenzbehauptung voraus.
Nach Husserl bezieht man sich intentional nicht auf Gegenstände, sondern lediglich auf Vorstellungen von diesen, weshalb die Objekte nicht real existent sein müssen. Auf diese Vorstellungen selbst kann man sich jedoch nicht intentional beziehen, weshalb das Bewusstsein hier gegenüber sich selbst transparent ist und folglich die Gegenstände als real existent erscheinen.
2. Intentionalität ist keine reelle Aktion des Bewusstseins, das sich auf ein Objekt richtet. Nach Husserl bei bei nicht-reflektierten mentalen Zuständen die Relation zwischen Bewusstsein und Gegenständ gar nicht bewusst: man erlebt die Außenwelt und handelt innerhalb dieser ohne sich dabei ständig als von ihr separiertes Subjekt zu erleben.
Erst durch die Reflexion wird eine solche Subjet/Objekt- Spaltung konstituiert. Das Subjekt bzw. Ich ist dabei nach Husserl lediglich eine nicht-substantiellen Projektion: Ihm werden keine spezifischen Eigenschaften zugeschrieben; es handelt sich vielmehr um einen Fixpunkt, auf den die unterschiedlichen Erlebnisse ausgerichtet werden.

Husserl teilt ebenfalls nicht Brentanos Einschätzung, dass alle mentalen Zustände intentional seien. Er lehnt dies für Empfindungen wie Schmerzen usw. ab.
Dazu muss man Husserls Idealismus näher erlätuern:Husserl unterscheidet grundlegend zwischen Empfinden und Wahrnehmen. Wahrnehmungen sind dabei Internpretationen von Empfindungen, die letztere verändern. (Insofern können scích Wahrnehmungen auch nicht direkt auf ein intentionales Objekt beziehen.)
Wenn man z.B. einen Tisch betrachtet, hat man viele Empfindungen und die Verbindung dieser zu der Wahrnehmung eines Gegenstandes ist nach Husserl eine Interpretation.
Diese Interpretation weist dabei einen bestimmten Charakter auf, ihre Intention. Diese bringt die unterschiedlichen Empfindungen unter einen Begriff, weshalb Wahrnehmung nach Husserl begrifflich und intentional sind, Empfindungen jedoch nicht.
Dementsprechend unterteilt Husserl affektive Zustände in zwei Klassen: Gefühle bzw. Emotionen weisen Intentionalität auf, weil sie sich auf Empfindungen beziehen und deren Gehalte bewerten und damit unter einen Begriff wie z.B. "Furcht" bringen.

Hier könnte man natürlich einwenden, dass man die Empfindungen auch lediglich als Ursache der Gefühle verstehen kann und ihre Beziehung demnach nicht intentional sein muss.
Nach Husserl unterscheidet sich diese Art Relation jedoch von einer kausalen, weil man bei ersterer die Relata nicht unabhängig voneinander denken kann. Dies ist aber bei Ursache und Wirkung der Fall.

Empfindungen sind Husserl zu Folge rein körperliche Zustände, denn sie enthalten keinen intentionale Gehalt. Am Beispiel "Schmerz" lässt sich das verdeutlichen: Schmerzen verweisen eher unspezifisch auf den Zustand des Körpers. Da es unterschiedliche Art von Schmerzen gibt, die sich alle darauf beziehen, kann man diesen Gehalt nicht als intentionalen Gegenstand bezeichnen. Nach Husserl ist der Gehalt zu grobkörnig, als dass man hier von einer intentionalen Beziehung ausgehen könnte.
Damit verpflichtet sich Husserl jedoch auf die Annahme, dass eine gewisse Feinkörnigkeit des Gehaltes notwendig für Intentionalität ist. Aber kann man nicht auch sehr vage Überzeugungen haben, die dennoch als intentional gelten? Wenn man z.B. über Gott nachdenkt, haben die wenigsten Menschen eine konkrete Vorstellung von einem alten Mann mit einem weißen Rauschebart. Trotzdem würde man diesen Überzeugungen nicht ihre Intentionalität absprechen.
Mit dieser Annahme führt Husserl somit das Problem der nicht-existenten Referenten wieder ein, was er durch seinen Idealismus eigentlich gelöst haben wollte. WIe oben bereits erlätuert, beziehen wir uns intentional nicht auf die Welt, sondern nur auf Vorstellungen von dieser. Dadurch kann Husserl leicht erklären, warum wir über Einhörner nachdenken könne, auch wenn diese nicht existieren. WIr referieren dabei lediglich auf unsere Vorstellungen und fügen diese zur Wahrnehmung eines Einhorns zusammen. Im Falle der Wahrnehmung eines Einhorns ist es dann wahrscheinlich zu einem Fehler innerhalb der Interpretation gekommen.
Im Hinblick auf Schmerzen müsste Husserl nun behaupten, dass die Wahrnehmung der Empfindungen kein hinreichend konkretes intentionales Objekt erzeugen kann, weshalb man diesen Zuständen keine Intentionalität zusprechen kann. Doch hier stellt sich die Frage, was diesen Fall von dem des Einhorns unterscheidet. In welcher Hinsicht ist diese Wahrnehmung feinkörniger und warum sollte dies als Kriterium für Intentionalität gelten?




Brentano

Das Ziel von Brentanos zweitem Kapitel besteht darin, ein hinreichendes und notwendiges Kriterium zu bestimmen, da psychische Phänomene von physischen abgrenzt und dadurch "Mentalität" definiert. Was unterscheidet ein Wesen mit einem Geist von einem vielleicht sehr komplexen Automaten?
Nach Brentano kann dieses Kriterium allein die Intentionalität mentaler Zustände sein

"Intentionalität" bezeichnet die Eigenschaft psychischer Phänomene, auf Objekte gerichtet zu sein. Die Objekte weisen somit eine "immanente Gegenständlichkeit" auf, was bedeutet, dass sie in dem mentalen Zustand "enthalten" sind.
Und was soll wiederum heißen? Wenn man z.B. seine visuelle Wahrnehmung der Außenwelt beobachtet, stellt man fest, dass man nicht die Gegenstände "an sich" erfasst; sie sind vielmehr immer an das Medium "Wahrnehmung" gebunden und in diesem Sinne auch in ihm "enthalten".

Das Kriterium der Intentionalität erscheint intuitiv nicht unplausibel, denn unser Denken und Fühlen richtet sich auf Objekte und Sachverhalte in der Welt. Selbst wenn wir unser eigenes Denken zum Thema unserer Gedanken machen, beziehen wir uns damit auf ein Objekt- eben das Denken. Was könnte man nun gegen dieses Kriterium einwenden?
Nach Brentano behaupten einige Philosophen, wie z.B. Hamilton, dass Empfindungen nicht intentional sind. Der Gehalt bzw. das Objekt von Schmerzen besteht nicht in dem Verweis auf die beschädigte Körperregion, dazu sind Schmerzen meist viel zu diffus. Wenn man sich im Verlauf einer Schmerzempfindung die Zeit nimmt, auf dessen Qualität zu reflektieren, wird man wahrscheinlich bemerken, dass sich der Gehalt nur sehr schwer ausmachen lässt. Jedenfalls ist er nach Meinung einiger Philosophen so wenig konkret, dass man hier von einem intentionalem "Objekt" sprechen könnte.

Brentano reagiert auf diesen Einwurf, indem er darauf verweist, dass die Objektlosigkeit des Schmerzes nur eine scheinbare ist. Das intentionale Objekt des Schmerzes ist intern, d.h. innerhalb des eigenes Körpers. und deshalb ist seine Existenz nicht offensichtlich.
Diese Verteidigung sucht er durch eine Analogie zu stärken: Wenn wir uns auf unsere eigenen mentalen Zustände beziehen, also darüber nachdenken, was wir gerade denken, würde man diese Bezugnahme auch als intentionalen Akt bezeichnen.
Dennoch ist es nicht so, dass der mentale Zustand im Fokus der Introspektion uns als Objekt gegenwärtig ist, d.h. dass wir ihn z.B. vor unserem geistigen Auge von allen Seiten betrachten können. Das intentionale Objekt, i.e. der mentale Zustand, ist auch in diesem Fall nicht klar umrissen, trotzdem handelt es sich nach Brentano um eine intentionale Relation.
Mit Hilfe dieser Analogie will Brentano verdeutlichen, dass es für Intentionalität nicht notwendig ist, dass das intentionale Objekt eindeutig bestimmt werden kann. Stimmt man dieser Prämisse zu, kann man auch Schmerzen und anderen Empfindungen Intentionalität zuschreiben, auch wenn ihre Objekte nicht ganz eindeutig sind.
Sollte man dieser Prämisse zustimmen? tbc

In einem zweiten Schritt wirft Brentano seinen Gegnern vor, dass sie von der Wahrnehmbarkeit mentaler Zustände auf deren Ontologie schließen, was nicht zulässig ist. Nur weil ich etwas nicht vollständig oder nur in einer bestimmten Hinsicht erkennen kann, heißt das nicht, dass dieses Etwas auch notwendig so ist.
Brentanos Opponenten gehen davon aus, dass man von den Objekten der Außenwelt nur durch Wahrnehmung weiß, man jedoch keinen epistemischen Zugang zu den Objekten an sich hat. Da wir die Objekte also nur vermittels der Wahrnehmung kennen, können wir nicht wissen, wie sie unabhängig von der Wahrnehmung sind. Wenn ich bei Schmerzen also kein intentionales Objekt wahrnehme, kann ich nicht wissen können, ob sie ein solches aufweisen.
Brentano meint wiederum: Nur weil man etwas nur durch Wahrnehmung kennt, heißt das nicht, dass man es sich nicht unabhängig von der Wahrnehmung vorstellen kann. Damit letzteres unmöglich ist, muss man voraussetzen, dass durch die Wahrnehmung alle essentiellen Eigenschaften des Objektes erfasst werden. Genau diese Behauptung lässt sich doch allein auf der Grundlage von Wahrnehmung nicht als wahr ausweisen, weshalb Brentanos Gegner sich hier in einen Widerspruch verstricken.
Also kurzum: Wenn man nicht behaupten möchte, dass alles, was wir über Schmerzen wissen können, in ihrer Wahrnehmung offenbart wird, erscheint es durchaus vorstellbar, dass auch sie intentionale Objekte aufweisen.

Da man nach Brentano also nicht ausschließen kann, dass alle psychischen Phänomene intentional sind, ist dieses Kriterium als hinreichend anzusehen. Weiterhin zeigt er in Abgrenzung zu zwei weiteren Merkmalen, dass nur  Intentionalität hinreichend für psychische Phänomene ist.

Das erste Merkmal ist die sukzessive Abfolge mentaler Zustände. Während körperliche bzw. physische Prozesse gleichzeitig ablaufen können, denken wir meist linear, so wenn wir z.B. innerlich mit uns selbst sprechen.
Nach Brentano zeigen aber sowohl sehr begabte Menschen als auch Strahlentiere die Fähigkeit, mehrere mentaler Prozesse gleichzeitig zu koordinieren.
Damit ist das Merkmal der Sukzession jedoch weder hinreichend noch notwendig für das Bestehen psychischer Phänomene. Es ist nicht hinreichend, weil sein Vorhandensein nicht dazu führt, dass genuin menschliche psychische Phänomene erzeugt werden, wie das Beispiel des Strahlentiers zeigt. Es ist auch nicht notwendig, weil wir begabten Menschen nicht ihre psychischen Phänomene absprechen, nur weil sie nicht notwendig sukzessiv denken.

Als zweites Merkmal diskutiert Brentano den Vorschlag, die Einheitlichkeit des Bewusstseins als Alleinstellungsmerkmal des Mentalen zu behaupten. Hier wendet jedoch Spencer ein, dass sich dieses nur bei äußerster Konzentration zeigt. In der alltäglichen Erfahrung lassen sich mehrere Dimensionen des Erlebens unterscheiden: So erlebt er die einzelnen Sinnesmodalitäten als sehr präsent innerhalb der Wahrnehmung und meist wird er zusätzlich von einer Melodie verfolgt.
Hier lässt sich jedoch fragen, inwieweit Spencers Beschreibung seiner Erfahrung verallgemeinerbar ist. Brentano merkt an, dass die unterschiedlichen Dimensionen erst reflexiv in den Blick geraten und man die grundlegende Einheit der Erfahrung nicht leugnen könne.
Wie auch immer man hier zu einem Konsens kommt, ist es jedoch offensichtlich, dass wir die Einheit des Bewusstseins nicht als notwendig für "Mentalität" ansehen. Denn auch wenn Spencer eine differenziertere Erlebnisweise der Welt von sich aussagt, sprechen wir ihm trotzdem nicht ab, über einen Geist zu verfügen. Folglich ist "Intentionalität" auch hier im Vergleich das stärkere Kriterium.

Brentano zeigt in diesem Kapitel also zunächst, dass Intentionalität für alle Zustände zumindest nicht ausgeschlossen werden kann. Weiterhin macht er deutlich, dass dieses Kriterium den anderen Vorschlägen überlegen ist, da es zumindest hinreichend für "Mentalität" ist.



Intentionalität

Was ist die Intentionalitaet des Geistes?

Die Intentionalitaet des Geistes besteht darin, sich auf seine Umwelt beziehen zu koennen. So glauben wir z.b., dass Wasser nass ist, und beziehen uns damit auf die Welt.
Was ist daran besonders, warum sollte man es untersuchen?
Die grundlegende Motivation der Untersuchung besteht darin, herauszufinden, ob Intentionalitaet ein spezieller Typ Relation ist oder ob sie auf Kausalrelationen reduzierbar ist.
Brentano z.b. unterscheidet physische und psychische Phaenomene anhand ihrer Relationen: psychische Phaenomene sind durch intentionale Relationen zu beschreiben, waehrend physische durch ihre kausalen Beziehungen bestimmt werden.
Diese Unterscheidung fuehrt Brentano zu zwei Thesen:

- Intentionalität ist notwendig für "Mentalität": Alle mentalen Zustände weisen Intentionalität auf.
- Intentionalität ist hinreichend für "Mentalität": Alles, was Intentionalität aufweist, ist auch ein mentaler Zustand.

Die erste These besagt, dass alle mentalen Zustaende intentional sein muessen, auch solche  wie z.b. Schmerzen, von denen man dies  nicht ohne Weiteres behaupten wuerde.
Weiterhin vertritt Brentano die These, dass nur mentale Zustaende intentional sein koennen, was bedeutet, dass physische Phaenomene keine Intentionalitaet aufweisen duerfen. Hier lassen sich jedoch auch z.b. Organismen denken, die sich z.b. am Sauerstoffgehalt des Wassers orientieren und sich damit intentional auf die Welt beziehen, aber dennoch moechte man ihnen  keine mentalen Zustaende zuschreiben.
In diesem Zusammenhang unterscheiden einige Autoren wie z.B. Speaks zwischen originaler und derivativer Intentionalität: Man könnte behaupten, dass nur mentale Zustände originale Intentionalität aufweisen, während wir die Operationsweise von physischen Phänomenen lediglich als intentional beschreiben, weil sie ersterer ähnelt. 

Eine weitere wichtige Charakteristik von Intentionalität ist, dass das der Objekt oder Sachverhalt, auf den sich der mentale Zustand bezieht, nicht existieren muss. So können wir über "Zeus" oder "Einhorn" nachdenken, obwohl es ihre Referenten nicht gibt. Chisholm und Tyoe bezeichnen diese Besonderheit als die "intentionale Inexistenz" von Objekten und schreiben diesen Terminus Brentano zu. Diese Zuschreibung beruht jedoch auf einer Fehlinterpretation, denn nach BRentano mein "Inexistenz", dass das Objekt innerhalb des mentalen Zustandes zu existieren scheint, was jedoch nichts über dessen Seinsweise in der Welt aussagt.