Sonntag, 12. August 2012

Chisholm

Chisholms "Intentional Inexistence" beschäftigt sich mit Intentionalität aus sprachanalytischer Perspektive, d.h. er vertritt die These, dass man Intentionalität auf sprachliche Aspekte reduzieren kann. Deshalb untersucht er die Verwendung von intentionalen Prädikaten.

Laut SEP reduziert Chisholm Intentionalität damit auf Intensionalität. Was ist Intensionalität?
Man definiert sie in Abgrenzung zu Extensionalität, die wiederum zwei Bedingungen erfüllt.

1. In extensionalen Kontexten kann man zwei koreferentielle Ausdrücke wahrheitswerterhaltend ersetzen. Z.B.
a. Hesperus shines
b. Phosphorus shines.
Da sich beide Sätze auf denselben Planeten beziehen, kann man die Ausdrücke gegeneinander austauschen und der Satz bleib dennoch wahr, wenn er wahr ist.

2. Man kann in beiden Sätzen auf die Existenz der Referenten schließen.
Denn wenn man behauptet, dass etwas leuchtet, muss vorausgesetzt werden, dass es dieses Etwas auch gibt.

Intensionale Kontexte unterscheiden sich in diesen beiden Aspekten von extensionalen:
c. Ava believes that Hesperus is shining.
d. Ava believes that Phosphorus is shining.
Hier ist es nicht der Fall, dass man Hesperus und Phosphorus miteinander vertauschen könnte und der Satz bliebe notwendig wahr. Denn es ist möglich, dass Ava den Planeten unter dem Namen "Hesperus", aber nicht unter seinem anderen Namen kennen.
Genauso kann man von Avas Überzeugung nicht darauf schließen, dass es den jeweiligen Referenten auch gibt. Schließlich könnte Ava unter Wahnvorstellungen leiden und sich den Planeten nur ausgedacht haben. Vgl. SEP

Chisholm meint also, dass man Intentionalität auf Intensionalität reduzieren kann, d.h. dass man durch die Analyse der intensionalen Kontexte Intentionalität wesentlich erfasst. Konkret vertritt er zwei Behauptungen: 
C1: Wenn etwas intentionaler Natur ist, dann muss es mit Hilfe von intensionalen Sätzen beschrieben werden.
C2: Wenn etwas nicht-intentionaler Natur ist, dann muss es nicht mit intensionalen Sätzen beschrieben werden.
C2 bedeutet, dass man physische Sachverhalte mit intensionalen Sätzen beschreiben kann, dies aber nicht zwingend ist. So kann man seinem Computer unterstellen, dass er spinne, aber wenn man über das entsprechende Vokabular verfügt, kann man diesen Sachverhalte auch nicht mit intensionalen Prädikaten beschreiben. Bei Sätzen wie c und d ist diese alternative Beschreibung nach Chisholm nicht möglich.

Chisholm formuliert drei Kriterien zur Bestimmung intensionaler Sätze:
1. Wenn der intensionale Satz einen singulären Term enthält, kann man nicht darauf schließen, dass der Referent des Terms auch existiert.
2. Die Ersetzung singulärer Terme in intensionalen Sätzen ist nicht wahrheitswerterhaltend.
3, Wenn der intensionale Satz einen "dass-Satz" enthält, kann nicht auf die Wahrheit der Proposition des "dass-Satzes" geschlossen werden.
Gleichermaßen kann man in allen drei Fällen aus der Negation der Sätze nicht auf die Falschheit/Nicht-Existenz des Referenten geschlossen werden.

Hier kann man natürlich einwenden, dass die dritte Bedingung nicht für faktive Verben gilt. Denn wenn jemand weiß, dass London die Hauptstadt von England ist, dann impliziert das die Wahrheit des Sachverhaltes, denn wissen kann man nur Tatsachen.
Deshalb formuliert Chisholm die Bedingung auch im Hinblick auf die Negation intensionaler Sätze: Wenn jemand wiederum nicht weiß, dass London in England liegt, kann man daraus nicht den Schluss ziehen, dass es sich nicht dort befindet.

Weiterhin kann man gegen Chisholms Strategie einwenden, dass es intensionale Sätze gibt, die sich nicht auf intentionale Phänomene beziehen. So impliziert die Wahrheit von Sätzen wie e nicht die Wahrheit von f.
e. It is a natural law that all Ps are Q.
f. It is a natural law that all Ps are R.
Denn Naturgesetze gelten immer nur unter bestimmten Bedingungen und weil diese in manchen Fällen nicht erfüllt sind, kann man von e nicht auf f schließen. Damit wäre Intensionalität nicht mehr hinreichend für Intentionalität und Chisholms Ansatz wäre nicht geeignet, um Brentanos Probleme zu lösen.

Zusätzlich könnte man dafür argumentieren, dass intensionale Sätze auch nicht notwendig sind, um Intentionalität zu erfassen. Denn intentionale Zustände könnten als Ursachen von Verhalten relational beschrieben werden, so z.B. als die Ursache des Verhaltens von xy. Dadurch müsste man prima facie nicht auf intentionale Prädikate zurückgreifen.
Hier stellt sich jedoch die Frage, ob diese Individuation feinkörnig genug ist, da bestimmte Verhaltensweisen durch unterschiedliche mentalen Zustände ausgelöst werden können.

Chisholm selbst untersucht diesen Einwand anhand von Ayers Vorschlag, dass man Intentionalität auf Sprachverhalten reduzieren könne. Nach Ayer kann man "denken" folgendermaßen definieren:
"A man is thinking of a unicorn if the man is disposed to use symbols which designate unicorns."
Nach Chisholm verschiebt er dadurch das Problem nur, da es sich bei "designate" ebenfalls um ein intensionales Prädikat handelt.
Man könnte nun versuchen, "designieren" mit Hilfe von "Intension" behavioristisch zu reformulieren, wie z.B. der Vorschlag von Caranap:
" The intension of a predicate Q for a speaker X is the general condition which an object must fulfill in order for x to be willing to ascribe the predicate Q to v."
Nach Chisholm kann diese Definition  Fehlbezeichnungen nicht integrieren. Denn wenn man "Fuchs" für Hund sagt, muss der Fuchs die Bedingungen der Zuschreibungen erfüllen. Damit hätte man aber nicht nur die Intension von "Fuchs"; sondern die von "Fuchs oder Hund" bestimmt, was nach Chisholm zu weit ist.

Anschließend betrachtet Chisholm zwei weitere Reduktionsversuche:
1. Man könnte intensionale Prädikate auf "signify" reduzieren wollen. Damit müsste man behaupten, dass ein sprachliches Zeichen eine ähnliche Wirkung auf das Subjekt hat wie sein Referent. Da die intensionalen Prädikate somit nur eine Kausalrelation bezeichnen, könnte man sie durch "signify" und die physische Beschreibung vollständig ersetzen.
Hiergegen bringr Chisholm den Einwand der multiplen Realisierbarkeit vor. Denn es ist für ihn nicht klar, wie ähnlich die Wirkung des Zeichens auf das Subjekt sein muss, damit solch eine Reduktion gerechtfertigt ist.
2. Man könnte versuchen, intensionale Prädikate auf "erwarten" und die Beschreibung eines zukünftigen Zustandes zu reduzieren. "Erwarten" lässt sich wiederum als Disposition zu einem bestimmten körperlichen Zustand (Schock oder positive Verstärkung) zusammenfassen.
Hier wendet Chisholm jedoch ein, dass dieser körperliche Zustand nicht notwendig eintritt, und dies kann man nur erklären, wenn man die mentalen Zustände des Subjektes berücksichtigt. So kann man z.B. die Mutter am Bahnhof treffen, aber sie nicht erkennen. Objektiv wäre dann die Erwartung erfüllt, aber der entsprechende körperliche Zustand stellt sich nicht ein, weil andere mentale Zustände intervenieren.

Es scheint offensichtlich, dass die rein behavioristischen Reduktionsversuche nicht erfolgversprechend sind. Die funktionalistische Idee, intentionalen Zustände anhand ihrer Kausalrelationen zu individuieren, passt eineseits gut in ein physikalistisches Weltbild. Andererseits muss man überlegen, ob Kausalität feinkörnig genug für semantische Relationen ist. Das wird im Hinblick auf die Naturalisierung intentionaler Zustände noch näher untersucht. 

  SEP = Jacob, Pierre, "Intentionality", The Stanford Encyclopedia of Philosophy (Fall 2010 Edition), Edward N. Zalta (ed.), URL = <http://plato.stanford.edu/archives/fall2010/entries/intentionality/>.

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