Freitag, 7. September 2012

Michael Tye, The Intentionality of Feelings and Experiences

Es wird allgemein akzeptiert, dass Wahrnehmungen repräsentationalen Gehalt aufweisen, d.h. sie zeigen einen Sachverhalt in der Welt an.

Michael Tye behauptet wiederum, dass diese Funktion auch bewussten Gefühlen und Erlebnisse zukommt, denn sie sind sinnliche Repräsentationen der Außenwelt oder von internen körperlichen Veränderungen.

"Moods, emotions, and bodily sensations, in my view, are importantly like maps of our own physical workings, guides to our own body states, graphic representations of what is going on inside (and to) our skins."

Was ist intentionaler/repräsentationaler Gehalt?
Intentionaler Gehalt ist der Gehalt von Wahrnehmungen, Überzeugungen und anderen mentalen Zuständen. Wenn ich z.B. einen roten Ball sehe, ist die Repräsentation dieses Balles der Gehalt meiner visuellen Wahrnehmung.
Dieser kann sich auf konkrete Objekte oder abstrakte Objekt-Typen beziehen, d.h. auf den konkreten Ball , der vor mir liegt, oder auf einen eher unspezifischen Ball, der lediglich die Eigenschaften der Kugelform etc. aufweist.

Genau wie Chisholm meint Tye, dass dieser Gehalt feinkörnig bzw. nicht-extensional ist. So muss die Repräsentation des Balles nicht alle Eigenschaften anzeigen, die der Ball tatsächlich hat. Folglich weiß ich bei der Repräsentation eines Dreiecks, dass es drei Seiten hat, aber ich muss nicht wissen, dass seine Innenwinkelsumme 180 Grad ist.

Aufgrund dieser Intensionalität des Gehalts kann man auch Gegenstände repräsentieren, die gar nicht existent sind. In diesem Fall zeigt meine Wahrnehmung lediglich eine Menge von Eigenschaften an, die jedoch keinen Referenten haben.

Mentale Zustände unterteilt Tye wiederum in zwei Gruppen: propositionale Einstellungen und Erfahungen bzw. Erlebnisse. Zu ersteren gehören z.B. Überzeugungen, Wünsche und allgemein alle Zustände, deren Gehalt propositional ist.
"Propositional" bedeutet, dass sich ihr Gehalt als dass-Satz formulieren lässt. Nach Tye weisen diese Zustände eine linguistische Enkodierung auf, was bedeutet, dass sie systematisch und produktiv miteinander verknüft werden können. Aus der Überzeugung "Dort ist ein Baum" und "Der Baum ist groß" kann man bspw. die Überzeugung "Der Baum ist groß" generieren.

Diese Verknüpfungen sind wiederum unabhängig von den Sachverhalten in der Welt, denn man kann "golden" und "Berg" zu "goldener Berg" zusammensetzen, auch wenn es diesen gar nicht gibt.

Erfahrungen weisen jedoch keine solche satzartige Struktur auf, weshalb sie nach Tye von den propositionalen Einstellungen unterschieden werden müssen.

Grundlegend nimmt Tye eine kausale Theorie der Repräsentation an:
" S represents that p = If optimal conditions obtain,  S is tokened in x if and only if P and because P"
S wird also angezeigt, gdw. P der Fall ist und weil P der Fall ist. Die letzere Bedingung soll ausschließen, dass es sich um eine bloß zufällige Korrelation handelt.
Fehlrepräsentation sind nach dieser Definition möglich, wenn die Optimalbedingungen nicht erfüllt sind, wobei Tye sich hier nicht dazu äußert, was genau unter diesen zu verstehen ist.

Für Tye zeichnen sich Wahrnehmungen und Erfahrungen allgemein dadurch aus, dass sie nicht-begrifflichen Gehalt aufweisen. zur Illustration eines solchen Gehalts nennt er die Müller-Lyer-Illusion:
http://de.wikipedia.org/wiki/M%C3%BCller-Lyer-Illusion

Bei dieser sehen wir die Linien nicht als gleich lang, obwohl wir nach der Aufdeckung der Illusion wissen, dass dem so ist. Folglich scheint der Gehalt unserer visuellen Wahrnehmung nicht durch unsere Überzeugungen beeinflussbar. Weitere Beispiele für nicht-begrifflichen Gehalt ist die Farbwahrnehmung, denn wir können auch nicht alle Farbnuancen, die wir unterscheiden können, mit Begriffen belegen und deshalb wiedererkennen.
Aufgrund dieser Befunde unterscheidet Tye zwischen begrifflichen Gehalt, den er den propositionalen Einstellungen zuordnet, und dem nicht-begrifflichen Gehalt der Erfahrung.

Dieser Gehalt soll Tyes Repräsentationalismus zu Folge Sachverhalte in der Welt bzw. Zustände des Körpers anzeigen. Gegen diese Behauptung wurden Phänomene wie z.B. Nachbilder und Schmerzen angeführt, die als nicht-repräsentational gelten.

Nachbilder:
Nachbilder entstehen, wenn man als Chirurg im OP auf etwas Weißes schaut, nachdem man sehr viel Blut gesehen hat. Man hat dann ein rotes Nachbild.
Wie kann der Repräsentationalismus nun erklären, wie dieser Gehalt entsteht?
Hier verweist Tye auf seine These, dass repräsentationaler nicht-extensional ist, d.h. er muss nicht notwendig alle Eigenschaften des Objektes anzeigen. Im Falle des Nachbildes vermischen sich die Repräsentation des Blutes mit der des weißen Objektes. Nach Tye ist es lediglich eine sprachliche Konvention, dass wir die Eigenschaften dem mentalen Zustand und nicht dem Objekt zuschreiben.
Hier stellt sich natürlich die Frage, ob es auch durch sprachliche Konvention erklärt werden kann, dass wir das Nachbild als Nachbild und nicht als Repräsentation des weißen Objektes erleben. Nachbilder weisen doch eine besondere Qualität auf, denn ansonsten würden wir nicht häufig so verstört reagieren, wenn wir sie erleben.

Ein weiteres Beispiel für Zustände mit scheinbar nicht-intentionalem Gehalt sind Schmerzen. Tye meint, dass diese unter Optimalbedingungen körperliche Störung repräsentieren.
"... they are mechanical responses to the relevant bodily changes in the same way that basic visual sensation are mechanical responses to proximate visual stimuli."
Dabei muss man durch den Schmerz wiederum nicht genau wissen, was genau beshcädigt ist, denn Schmerz ist ebenfalls nichtt-extensional. Weiterhin muss das Körperteil auch nicht existent sein, denn genau wie bei Nachbildern kann es sich hier um eine Übertragung von repräsentationalem Gehalt handeln.

Man kann gegen diese These wiederum einwenden, dass sich Schmerzen, im Gegensatz zu der Wahrnehmung der Müller-Lyer-Illusion, durch unsere propositionalen Einstellungen beeinflussen lassen. Wenn man z.B. beim Laufen gedanklich damit beschäftigt is, die Schönheit der Landschaft zu bewundern,  wird der Schmerz der Muskeln nicht so intensiv wahrgenommen.
Nach Tye handelt es sich aber um einen Rückkopplungseffekt: Der Schmerz wird unabängig von den Gedanken in üblicher Intensität repräsentiert, jedoch lediglich von den Gedanken rückwirkend überlagert. Das Bewusstsein des Schmerzes kann auf diese Weise verändert werden, aber nicht der Schmerz an sich.

Es ist fraglich, ob Tyes Theorie im Allgemeinen zulässig ist, da er nicht alle Arten der Erfahrung (wie z.B. Stimmungen und Emotionen) ausführlich diskutiert. Dennoch ist wichtig festzustellen, dass Tye keinen reinen Repräsentationalismus vertritt. Indem er den Gehalt als nicht-extensional bestimmt, trägt die jeweilige mentale Konstitution des erfahrenden Subjektes einen wesentlichen Teil dazu bei, was repräsentiert wird. Das ist vor allem im Hinblick auf Blocks Einwand im Hinterkopf zu behalten.

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